Alltagsfähigkeiten zu Hause mit Mobilitätsmessgeräten erfassen
Tragbar, am Körper fixiert oder in den Haushalt integriert: Es gibt inzwischen viele gut funktionierende mobile Geräte, um die Beweglichkeit im täglichen Leben zu messen. Idealerweise ergänzen sie die Untersuchungen beim Arzt und führen zu einem Gesamtbild. So verbesserten die im Alltag mit mobilen Instrumenten gewonnen Daten in Studien die Prädiktion von Stürzen und halfen dabei, ältere Patienten und solche nach Schlaganfall zu identifizieren, die ein hohes Sturzrisiko hatten.
Häufig jedoch klaffen die Ergebnisse von klinischer Untersuchung und nicht supervidiert gewonnenen Alltagsdaten so weit auseinander, dass eine integrierte Beurteilung unmöglich ist. Und das hat viele Gründe, wie Elke Warmerdam von der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Kiel und Kollegen anhand ihrer Analyse von zwölf Studien herausfanden. In den Arbeiten hatte man supervidierte und nicht supervidierte Mobilitätsuntersuchungen bei Menschen über 60 Jahre, Patienten mit Parkinson oder Multipler Sklerose verglichen.
Beste Leistung im Test versus Alltagsfähigkeiten
Das Erfassen der Beweglichkeit zu Hause mittels mobiler Instrumente basiert auf selbst initiierten Aktionen in einem variablen, durch viele Faktoren beeinflussten Umfeld. Die Bewegungen folgen einem Zweck, z.B. in die Küche gehen. Bei der klinischen Untersuchung kommt ein Patient dagegen unter sehr reduzierten Umweltbedingungen einer Aufforderung nach und der Fokus liegt auf der Bewegung selbst (vom Sitz in den Stand kommen, 6 m gehen). Dadurch versucht der Kranke stärker, seinen Körper zu kontrollieren als zu Hause.
Das häusliche Umfeld beeinflusst ebenfalls die Bewegungen, beispielsweise durch räumliche Enge, im Weg stehende Möbelstücke, die Beleuchtung, helfende Partner oder Sitzgelegenheiten, die sich sehr vom Stuhl für Aufstehtests in der Praxis bzw. Klinik unterscheiden. Und während zum Alltag Multitasking gehört, laufen klinische Untersuchungen maximal mit zwei Aufgaben gleichzeitig.
Mehr Motivation durch positives Feedback?
Nicht zuletzt begünstigen Auswertungsalgorithmen abweichende Ergebnisse. Meist im klinischen Kontext entwickelt und validiert werden sie den komplexeren Anforderungen im täglichen Leben kaum gerecht. Letztlich erfassen klinische, überwachte Untersuchungen eher die beste Leistung des Kranken, aber nicht seine Alltagsleistungsfähigkeit.
Ob die mobilen Geräte sich dafür eignen, den Therapieerfolg zu kontrollieren, lässt sich derzeit nicht sicher beurteilen. Schließlich muss man berücksichtigen, dass mobile Technologien das Verhalten verändern können, insbesondere wenn sie dem Patienten Ergebnisse rückmelden. Eine zunehmende Mobilität nach Beginn der Erfassung kann also auf einer wirksamen Therapie beruhen, aber genauso gut auf der größeren Motivation zu körperlicher Aktivität durch positives Feedback.
Wie Körper und Seele zu Hause mitwirken
- Bewusstheit der Bewegungen
- Motivation sich zu bewegen
- Weißkitteleffekt (schlechtere Ergebnisse beim Arzt als zu Hause)
- umgekehrter Weißkitteleffekt (bessere Ergebnisse beim Arzt als zu Hause)
- Hawthorne-Effekt (Verhaltensänderung, weil man unter Beobachtung ist)
- Fatigue
- Schmerzen
- Stress
Quelle: Warmerdam E et al. Lancet Neurol 2020; 19: 462-470; DOI: 10.1016/S1474-4422(19)30397-7