COVID-19 und Psyche Junge Seelen leiden besonders, Senioren sind erstaunlich resilient
Jeder von uns ist direkt oder indirekt von der SARS-CoV-2-Pandemie betroffen. Zum einen, weil mehr und mehr Menschen an COVID-19 erkranken und mit zum Teil anhaltenden Folgen zu kämpfen haben. Und zum anderen, weil die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung die Bevölkerung verunsichern und teils gravierende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Welche Auswirkungen das alles auf die seelische Gesundheit hat, hat eine Wissenschaftlergruppe um Dr. Mirko Manchia von der Universität Cagliari in einem umfangreichen Übersichtsartikel zusammengefasst.
Mit Beginn der Pandemie berichteten viele Menschen generell über vermehrten Stress sowie über Depressionen und Ängste. Eine gar nicht so kleine Gruppe hingegen gab an, sich nicht sonderlich durch die neuartige Situation beeinträchtigt zu fühlen. Einige meinten damals sogar, nun besser klar zu kommen als zuvor. Und mit Voranschreiten der Pandemie zeigte sich in der Allgemeinbevölkerung eine zunehmende Resilienz gegenüber den veränderten Gegebenheiten mit teils erstaunlichen Fähigkeiten zur Anpassung und ganz neuen Copingstrategien, berichten die Wissenschaftler.
Aber es gibt auch Gruppen, die nicht adäquat auf die bedrohliche Situation reagieren können und die von der Pandemie besonders hart betroffen sind. So zeigt medizinisches Personal im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger stressbedingt psychische Auffälligkeiten. Auch Kinder, Jugendliche und Studenten sind durch die Pandemie in besonderer Weise beeinträchtigt.
Familiäre Spannungen, Agressionen und Gewalt
Eltern mussten zusätzlich zu ihren beruflichen Verpflichtungen das Homeschooling stemmen und sahen sich teils mit gesundheitlichen und finanziellen Problemen konfrontiert. In manchen Fällen führte das zu erheblichen Spannungen innerhalb der Familien, zu verbalen Aggressionen oder gar zu körperlicher Gewalt gegenüber den Kindern. Insgesamt beeinflusst die Gemütslage der Eltern die psychische Gesundheit der Kinder in Pandemiezeiten ganz wesentlich, stellen die Autoren fest.
Wie ergeht es Senioren unter den derzeitigen Umständen? Obwohl ältere Menschen im höheren Lebensalter regelmäßig schwerer an COVID-19 erkranken und obwohl sie ein höheres Sterberisiko infolge der Infektion haben, berichten sie im Vergleich zu Jüngeren seltener über psychische Probleme.
Psychische Probleme bei eingeschränkter Kognition
Offensichtlich kommt ihnen in diesem Punkt ihre Lebenserfahrung und eine gute Portion Gelassenheit zugute. Ältere Menschen mit kognitiven Einschränkungen indes scheinen aber verstärkt mit psychischen Auffälligkeiten auf die Pandemie und die Bekämpfungsmaßnahmen zu reagieren.
Bei Personen mit psychischer Erkrankung hat die COVID-19-Pandemie ohne Frage nachteilige Folgen für das Seelenleben. Allerdings zeigen etwa Patienten mit Angststörung oder mit Depression keine deutlichere Verschlimmerung ihrer Symptome im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Menschen mit SARS-CoV-2-Infektion entwickeln nicht selten psychiatrische Symptome wie Angst, Depression oder Schlafstörungen. COVID-19-Patienten sollten daher generell entsprechend gescreent werden, um zügig notwendige Maßnahmen einleiten zu können.
Quelle: Manchia M et al. Eur Neuropsychopharmacol 2021; 55: 22-83; DOI: 10.1016/j.euroneuro.2021.10.864