Kollege Handy am Start: Digital-mobile Revolution in der Allergologie
Mobile Gesundheitstechnologien, neudeutsch mobile Health (M-Health), werden zu umfassenden Veränderungen führen, prognostiziert eine Expertengruppe der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI). Das betrifft den Datenaustausch zwischen Apps mit der Praxis- oder Klinik-EDV, die Organisation der appgestützten Patientenversorgung und die Vergütung der mobilen Telemedizin. Dies setze allerdings eine grundsätzlich andere Haltung der Ärzte und Gesundheitsprofis gegenüber Apps und den von Patienten gesammelten Daten voraus.
Für ihr Positionspapier analysierten die Wissenschaftler das aktuelle App-Angebot in der Allergologie und stießen auf zahlreiche Apps, die zu unterschiedlichen allergologischen Erkrankungen Schulungsmaterial und Patiententagebücher anbieten. Manche Anwendungen gehen schon darüber hinaus, beispielsweise Apps mit Bilderkennungs-Software für Patienten mit Ekzemen, Nahrungsmittel-Scanner oder eine Suchmaschine für allergiefreundliche Restaurants für Nahrungsmittelallergiker und Pollenvorhersagen für Pollenallergiker. Gut validiert sind die meisten Apps aber nicht und nur selten wird medizinisches Fachpersonal an der Entwicklung beteiligt, kritisieren die Experten der EAACI.
Verbesserte personalisierte Patientenversorgung
Dabei bieten mobile Applikationen große Chancen: Sie können
- das Verständnis für die Erkrankung und die Einsicht in die Notwendigkeit der Therapie verbessern, z.B. über altersgerechte Lernspiele für Kinder,
- die Diagnose und Kontrolle unterstützen, etwa durch die Dokumentation von Symptomen im Zusammenhang mit dem Pollenflug oder der Aufnahme eines bestimmten Nahrungsmittels,
- die Adhärenz verbessern. Dies kann durch eine Erinnerungsfunktion gelingen und den Beleg, dass Symptome bei regelmäßiger Therapie zurück gehen,
- das Selbstmanagement fördern, beispielsweise durch den Hinweis auf Verhaltensalternativen,
- die Arzt-Patienten-Kommunikation um wesentliche, sonst vielleicht nicht angesprochene Aspekte erweitern,
- den Arzt-Patienten-Kontakt in ländlichen Regionen mit weiten Wegen in die Praxis auch zwischen den Terminen ermöglichen, z.B. auch für die Verordnung via eRezept.
Derzeit werden auch Technologien für die Messung objektiver Parameter wie Lungenfunktion und Lungengeräusche getestet. Die integrierte Auswertung von patientenberichteten Symptomen, die Belastung (z.B. durch Pollen- und Luftverschmutzung) und objektiven Parametern könnte eine bis dato in dieser Intensität nicht gekannte personalisierte Patientenversorgung ermöglichen.
Direkter Arzt-Patienten-Kontakt ist essenziell
Die EAACI hat Rahmenbedingungen für neue M-Health-Entwicklungen definiert. So dürfen mobile Anwendungen nicht losgelöst vom Arzt-Patienten-Kontakt sein. Der direkte und enge Kontakt zwischen Patient und Arzt gilt als essenziell. Dies sollte auch dem Patienten klar kommuniziert werden. Gefordert wird zudem die CE-Kennzeichnung einer App als Medizinprodukt. Diese entbindet den Arzt aber nicht von der Verantwortung, ihren Gebrauch zu überprüfen und die Daten der App zu kontrollieren.
Prinzipiell sollte die Verwendung medizinischer Apps an die Versorgung durch einen approbierten Arzt gekoppelt werden. Dies setzt voraus, dass die große Menge gesammelter Daten für die elektronische Patientendokumentation angepasst und dem Arzt verfügbar gemacht werden kann. Auch ist die Versorgung via App bzw. Telemedizin zu honorieren.
Datenschutz darf nicht aus dem Blickfeld geraten
Patienten, aber auch das medizinische Fachpersonal sind für die eingesetzten mobilen Technologien telemedizinisch zu schulen, um eine adäquate Anwendung sicherzustellen. Natürlich müssen bei all dem die rechtlichen Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene beachtet werden, insbesondere auch die zum Datenschutz.
Quelle: Matricardi PM et al. Allergy 2020; 75: 259-272; DOI: 10.1111/all.13953