Heidelberger Meilenstein Kommunikation Konzept greift Wünsche der Patienten auf
In der Therapie des NSCLC im Stadium IV gibt es zweifelsohne erhebliche Fortschritte, doch diese kommen längst nicht jedem Betroffenen zugute. Zum einen weisen nicht alle Karzinome Mutationen mit therapeutischen Konsequenzen auf, zum anderen haben viele Patienten aufgrund ihrer Gebrechlichkeit eine schlechtere Prognose als die Teilnehmer der Zulassungsstudien. Nach einer aktuellen Metaanalyse erreicht die Rate gebrechlicher NSCLC-Patienten 45 %, ihr Mortalitätsrisiko ist im Vergleich zu fitteren Betroffenen dreifach erhöht.
Trotz gezielter Therapie ist ein Progress wahrscheinlich
„Wir befinden uns in einem Spagat zwischen Hoffnung und sehr eingeschränkter Perspektive“, meinte Dr. Matthias Villalobos vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg und schloss damit ausdrücklich die Behandler mit ein. „Wir sind alle enttäuscht, wenn trotz eines Therapieansprechens ein Progress auftritt.“ Der ist aber letztlich wahrscheinlich, selbst wenn molekulare Alterationen identifizierbar sind und die Therapie gezielt erfolgen kann. Daher ist es wichtig, trotz aller therapeutischer Fortschritte, den Palliativmediziner von Anfang an miteinzubeziehen.
Patienten mit einem fortgeschrittenen Lungenkrebs können ihre existenziellen Nöte und Unsicherheiten oft nicht ausdrücken. Sie nehmen aggressive Krebstherapien passiv und mit einem Gefühl der Machtlosigkeit hin, so die Erfahrung des Kollegen. Und häufig verstehen sie ihre Prognose nicht richtig, wie eine multizentrische Befragung der Arbeitsgemeinschaft Palliativmedizin in der Deutschen Krebsgesellschaft bestätigt. So gingen betreuende Ärzte davon aus, dass 98 % ihrer Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs über die Unheilbarkeit ihrer Erkrankung Bescheid wissen, und sie nahmen an, dass 85,2 % von ihnen die infauste Prognose auch akzeptierten. Die Patienten waren aber zu mehr als einem Viertel (26,4 %) vom kurativen Anspruch ihrer Therapie überzeugt. Es gibt also einen erheblichen Bedarf, die Kommunikation im Sinne der Patienten zu verbessern, betonte Dr. Villalobos.
Von den Betroffenen wünschten sich 41,3 % eine feste Kontaktperson im Klinikteam, um mit ihr über alle Aspekte ihrer Erkrankung und ihre Sorgen und Nöte sprechen zu können. Genau diesen Bedarf deckt die Heidelberger Meilenstein Kommunikation (HeiMeKOM).
Arzt und Pflegekraft bilden ein Gesprächstandem
Ihre Ziele sind die präferenzsensitive und vorausschauende gemeinsame Entscheidungsfindung, eine frühe Einbindung von Palliative Care sowie eine verbesserte Lebensqualität der Patienten. Zentraler Ansprechpartner ist eine Pflegekraft, die telefonisch Kontakt mit dem Patienen hält, bei Krankheitsverständnis und -verarbeitung unterstützt, palliative Befunde erhebt und Symptommanagement und sektorenübergreifende Versorgung koordiniert. Alle Meilensteingespräche (s. Tabelle) werden im Tandem von Arzt und Pflegeperson mit dem Betroffenen und Angehörigen durchgeführt.
Heidelberger Meilenstein Kommunikation (HeiMeKOM) | ||
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Meilenstein | Anlass | Inhalte |
1 | Aufklärungsgespräch | Diagnose, Prognose, Therapieoptionen inkl. Palliativversorgung |
2 | Konzeptgespräch | Kontrolle im stabilen Verlauf, vorausschauende Kommunikation |
3 | Perspektivgespräch | Progressions-, Standortbestimmung, neue Handlungsperspektive |
4 | Konsensgespräch | Ende der tumorspezifischen Therapie, Übergang zu best supportive care |
Wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung ist ein interprofessionelles Kommunikations- und Haltungstraining. Es erfolgt in Heidelberg in Form eines strukturierten und modularen Lernens am Arbeitsplatz nach Einführung in die Methode und Arbeitsweise in entsprechenden Workshops. Eine zu starke Extrabelastung der Mitarbeiter muss vermieden werden, mahnte Dr. Villalobos. In einer randomisierten kontrollierten Studie führte diese patientenzentrierte Kommunikation im Vergleich zu einer Standardversorgung zu einem verringerten Unterstützungsbedarf.
Sie verbesserte das Verständnis der Patienten für ihre Situation, die Transition zur Palliativmedizin war für die Betroffenen weniger problematisch und Angehörige gaben an, sich aufgrund des Verständnisses des Krankheitsprozesses besser auf das gemeinsame Leben im Hier und Jetzt einstellen zu können. Wichtig ist, die Kommunikation immer auf den Bedarf des Patienten abzustimmen und Informationspräferenzen sowie das Ausmaß der gewünschten Partizipation zu ermitteln und zu berücksichtigen, betonte Dr. Villalobos.
Der Aufwand für das neuartige Kommunikationskonzept ist derzeit im Rahmen eines integrativen Versorgungsvertrags mit der AOK Baden-Württemberg finanziert. Pro Patient werden etwa 2.000 Euro im Jahr erstattet. Dr. Villalobos ist überzeugt, dass HeiMeKOM am Ende nicht zu ausgeprägten Mehrkosten führt. Unnötige Therapien am Lebensende würden zum Beispiel damit seltener.
Quelle: 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin