Fehlende Daten Laryngopharyngealer Reflux führt ein Schattendasein
Der Rückfluss von mehr oder weniger sauren Magensekreten in den Rachenraum bzw. den Kehlkopf findet erst seit etwa 30 Jahren überhaupt als eigenständiges Krankheitsbild wissenschaftlich Beachtung. Ärzte tun sich daher mit der Diagnose des laryngopharyngealen Reflux (LPR) noch etwas schwer, schreiben Dr. Daniel Runggaldier von der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie des Universitätspitals Zürich und seine Kollegen.
Die Symptome eines LPR ähneln teilweise denen der Gastroesophageal Reflux Disease (GERD) mit retrosternalem Brennen und saurem Aufstoßen. Da aber bei LPR neben dem unteren auch der obere Ösophagussphinkter nicht richtig schließt, kommen weitere, allerdings meist unspezifische Beschwerden hinzu:
- Globusgefühl, Schmerzen beim Schlucken
- vermehrte Schleimbildung im Rachen- und Kehlkopfbereich (evtl. auch „postnasal drip“)
- chronischer Husten (v.a. nach dem Essen oder in Rückenlage)
- Halsschmerzen
- Heiserkeit
Spezifische Fragebögen für die Anamnese
Zunächst einmal gilt es, schwere Erkrankungen auszuschließen, etwa ein Bronchialkarzinom. Für das weitere diagnostische Vorgehen gibt es bislang noch keine allgemeingültigen Richtlinien. Zusätzlich zur Anamnese können spezifische Fragebögen Infos liefern:
- Der Reflux Symptom Index (RSI) erhebt für neun Beschwerden jeweils das Ausmaß der Beeinträchtigung. Er kann allerdings bei Patienten mit chronischer Rhinosinusitis, Allergien oder chronischen oberen Atemwegsinfekten leicht zu Fehldiagnosen führen.
- Der Reflux Symptom Score (RSS) geht exakter auf die Symptomatik ein und berücksichtigt sowohl die Häufigkeit als auch den Schweregrad und die damit verbundene Beeinträchtigung der Lebensqualität. Seine Aussagekraft muss noch genauer geprüft werden.
- Der Reflux Finding Score (RFS) fragt acht endoskopische Larynxbefunde ab, darunter subglottische oder Stimmlippenödeme sowie laryngeale Granulome. Die Ergebnisse sind allerdings stark untersucherabhängig, weshalb mit dem Reflux Sign Assessment (RSA) derzeit ein objektiveres Instrument entwickelt wird.
Steht nach Auswertung der Fragebögen der Verdacht LPR weiterhin im Raum und schlagen auch probatorisch verschriebene Säureblocker nicht an, kommen apparative Methoden zum Zuge – sinnvollerweise in Zusammenarbeit von Gastroenterologen und HNO-Ärzten.
Manometrie, pH-Wert- und Impedanzmessung
Die hochauflösende Ösophagusmanometrie erfasst Motilitätsstörungen und etwaige Risikofaktoren für eine klassische GERD (z.B. hypotoner unterer Ösophagussphinkter oder Hiatushernie). Damit kombiniert sollte eine 24h-MII*-pH-Metrie erfolgen.
Angenehmer für den Patienten ist die Diagnostik mithilfe einer drahtlosen Bravo-Kapsel. Diese wird gastroskopisch im distalen Ösophagus platziert, etwa sechs Zentimeter oberhalb des unteren Sphinkters. Die Kapsel misst über 48 Stunden den pH-Wert und sendet die Ergebnisse an ein Empfangsgerät. Danach fällt sie selbsttätig von der Organwand ab und wird auf natürlichem Wege ausgeschieden.
In Entwicklung ist ein nicht-invasiver Test, der die Konzentration von Pepsin im Speichel misst. Dieses im Magen produzierte Enzym hat proteolytische Eigenschaften, die beim Abbau der Nahrungbestandteile durchaus gewünscht sind, woanders aber Schaden anrichten können – in diesem Fall an der Schleimhaut von Larynx und Pharynx. Im Speichel gemessene Werte korrelieren gut mit dem RFS. Als Problem erweist sich allerdings die zirkadiane Rhythmik der Pepsinfreisetzung. Neben dem optimalen Zeitpunkt ist auch die Art und Weise der Probenentnahme noch nicht abschließend geklärt (Spuckprobe, Tupferabstrich, Rachenschleimhautbiopsie).
Trotz aller Unwägbarkeiten sehen die Autoren in der Pepsinmessung künftig einen wichtigen Baustein für die LPR-Diagnostik.
*multichannel intraluminal impedance
Quelle: Runggaldier D et al. HNO 2021; 69: 861-867; DOI: 10.1007/s00106-021-01006-3