In Deutschland vermerken Kollegen im Totenschein nur bei 4 % eine nicht natürliche Ursache. Tatsächlich dürften es aber doppelt so viele sein. Der folgende Leitfaden hilft Ihnen, das Kreuz an die richtige Stelle zu setzen.
Die Leichenschau initiieren meist Angehörige, Wohnungsbesitzer, Zeugen oder im Krankenhaus leitende Ärzte. Wenn ein niedergelassener Kollege wegen eines Todesfalls kontaktiert wird, muss er diesem Ruf unverzüglich folgen und kann nicht die Sprechstunde erst noch zu Ende halten, betonte der Notfallmediziner Dr. Thomas Ahne, Loretto-Krankenhaus Freiburg. Denn es geht auch darum, den Tod sicher festzustellen. Das lässt sich in keinem Fall delegieren.
Jeder approbierte Arzt ist verpflichtet, eine Leichenschau durchzuführen. Ausnahme: Wenn der Tod im Rahmen seiner Behandlung eingetreten ist, darf er dies nicht selbst tun. In einigen Bundesländern gibt es auch eine Sonderregelung für Notärzte. Sie können sich auf die Todesfeststellung beschränken, damit sie rasch wieder einsatzfähig sind. Dann muss ein anderer Arzt die Aufgabe übernehmen.
Trockenübung beim „Tatort“
Wer das Formular zur Todesbescheinigung noch nie gesehen hat, wird damit bei der ersten Leichenschau zu kämpfen haben. Dr. Ahne empfahl, mit einem Formular schon einmal „trocken“ zu üben, z.B. beim ARD-Tatort. Die Todeszeit sollte man jedoch nicht schätzen. Anders als im Fernsehen suggeriert, lassen sich selten im Notfall verlässliche Angaben machen. Falls Hinweise bestehen, wann die Person zuletzt lebend gesehen wurde, sollte man diese notieren.
Die Leichenschauer haben jedoch nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. So dürfen z.B. die Angehörigen ihnen nicht den Zutritt verwehren, weil sie gerade Abschied nehmen. Die Leichenschau besteht in einer gründlichen Untersuchung der entkleideten Person bei ausreichender Beleuchtung. Alle Körperregionen einschließlich Körperöffnungen und behaarter Kopfhaut müssen inspiziert werden. Das geschieht in der Regel dort, wo der Leichnam aufgefunden wurde, es sei denn, die Person starb in der Öffentlichkeit.
Zu den sicheren Todeszeichen gehören Leichenstarre, Leichenflecken, Fäulnis und nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen. Zu den unsicheren Kälte, Atemstillstand, Pulslosigkeit und Ausfall von Reflexen einschließlich Pupillomotorik.
Als natürlich gilt nur ein Tod, bei dem man eine Kausalkette herstellen kann. Das erste Glied der Kausalkette ist die Ursache. „Das kann niemals etwas Funktionelles sein wie z.B. Atemstillstand oder Altersschwäche“, so Ahne. Kennt der Arzt den Toten nicht, muss er zur Klärung der Hintergründe auf Befunde von Kollegen zurückgreifen. Diese sind verpflichtet, die Informationen herauszurücken – auch auf telefonische Anfrage. Lässt sich die Kausalkette nicht nachvollziehen, sollte man im Totenschein „unklare Todesursache“ ankreuzen. Das gilt auch dann, wenn die Situation untypisch ist, z.B. die Person im Badezimmer starb oder sich mehrere Leichen in räumlicher Nähe befinden.
Bei unnatürlicher Ursache wie Unfall, Suizid oder Tötung liegt zwischen dem Ereignis und dem Eintritt des Todes manchmal längere Zeit. Ergeben sich Hinweise auf einen unnatürlichen Tod, muss die Totenschau sofort abgebrochen und die Polizei verständigt werden. Es dürfen nun keine weiteren Manipulationen an der Leiche vorgenommen werden. Auch wenn Zweifel an der Identität des Toten bestehen oder eine Todesursache wahrscheinlich ist, die auch noch andere gefährden könnte – z.B. CO-Vergiftung – muss die Polizei mit ins Boot.