Männlich oder weiblich – für die Krebstherapie noch lange nicht egal
Wie Professor Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Radboud University Medical Centre, Nijmegen, betonte, ist schon lange bekannt, dass Unterschiede zwischen Mann und Frau auf genetischer und hormoneller Ebene Einfluss auf Erkrankungen haben. Das gilt auch für Tumoren. Als Beispiel nannte sie die Bedeutung von Östrogenen und Androgenen auf bestimmte Tumorzellen. Daneben beeinflussten Geschlechtsunterschiede auch Physiologie und Metabolismus – mit Konsequenzen für die Krebstherapie.
Geschlechtsunterschiede haben laut Prof. Oertelt-Prigione zudem
- Einfluss auf die Exposition gegenüber Risikofaktoren (Melanom und Lungenkarzinom),
- beeinflussen die Lokalisation von Tumoren (Kolonkarzinom, Melanom) und
- gehen mit einem unterschiedlichen Ansprechen auf bestimmte Tumortherapien einher.
Nicht zuletzt wären immunologische Unterschiede von Bedeutung für die Progression bestimmter Krebserkrankungen und das Überleben. Auch die Diagnose könne verzögert sein, wenn sexuelle Ungleichheiten ignoriert werden. So werde etwa das Symptom Hämaturie bei Frauen oft mit Zystitiden assoziiert, obwohl dahinter auch ein Harnblasenkarzinom stecken könnte. Eine geschlechtsspezifische Pharmakotherapie, die z.B. unterschiedliche Dosierungsschemata für beide Geschlechter vorsieht, ist denkbar, doch sei dafür noch viel Forschungsarbeit nötig, so die Referentin.
Dr. Anna Dorothea Wagner, Universitätsklinikum Lausanne, widmete sich in ihrem Vortrag den Geschlechtsunterschieden speziell bei gastrointestinalen Tumoren. Bei Magenkrebs und Karzinomen des gastroösophagealen Übergangs sind – neben den bekannten geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Inzidenz – molekulare Subtypen bei Männern und Frauen nicht gleich verteilt. Zudem gibt es Unterschiede hinsichtlich des Differenzierungsgrads der Tumoren, der Chromosomenstabilität und der Rate somatischer Mutationen.
Auch beim kolorektalen Karzinom (CRC) ist eine unterschiedliche Verteilung von molekularen Subtypen bei Frauen und Männern beschrieben, zudem metabolische Abweichungen, die unmittelbare Konsequenzen auf die Behandlung haben können. „Männer haben eine um 26 % höhere Elimination von 5-FU als Frauen“, erklärte Dr. Wagner. Das könne beim männlichen Geschlecht zu Unterdosierungen der verschiedenen CRC-Behandlungsregime führen, die den Therapieerfolg nachweislich einschränken. Nicht zuletzt gebe es auch Differenzen hinsichtlich der Nebenwirkungen: Frauen mit CRC haben ein erhöhtes Risiko für hämatologische und nicht-hämatologische Nebenwirkungen.
Die Referentin forderte für die Zukunft interventionelle klinische Studien, in denen geschlechtsabhängige Dosismodifikationen und Behandlungsstrategien evaluiert werden. Solche Untersuchungen seien notwendig, um Empfehlungen für die klinische Praxis ableiten zu können. Zunächst einmal muss sich laut Dr. Wagner aber die Erkenntnis durchsetzen, dass Männer und Frauen distinkte Gruppen von Patienten sind, die unterschiedliche Behandlungsstrategien benötigen.
Quelle: 21. World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC)