Rheuma Medizinalhanf hilft beim Sparen

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Ob und wie stark Cannabisprodukte gegen Schmerzen wirken, ist weiterhin umstritten. Ob und wie stark Cannabisprodukte gegen Schmerzen wirken, ist weiterhin umstritten. © cendeced – stock.adobe.com

Immer mehr Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nutzen Cannabinoide, um ihre Beschwerden zu lindern. Offenbar mit Erfolg: Oft lassen sich Schmerzmittel oder andere Medikamente dadurch einsparen.

Rheumatische Erkrankungen gehen häufig mit erheblichen Schmerzen und damit verbundenen Beschwerden wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und funktionalen Einschränkungen einher. Weil die zur Verfügung stehenden Schmerzmittel nicht ausreichend wirken oder mit unerwünschten Effekten verbunden sind, greifen in den USA und Kanada mehr und mehr Betroffene zu medizinischen Cannabisprodukten. Denn sowohl Cannabidiol (CBD) als auch Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) haben in präklinischen Studien schmerzlindernde und entzündungshemmende Effekte gezeigt. In klinischen Beobachtungsstudien haben die Substanzen als medizinisches Cannabis Schmerzen und Stimmung gebessert.

Ob und wie stark Cannabisprodukte gegen Schmerzen wirken, ist jedoch weiterhin umstritten. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Kevin ­Boehnke von der University of Michigan Medical School, Ann Arbor, hat sich dieser Frage nun indirekt genähert. Die Forschenden wollten herausfinden, ob Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die medizinisches Cannabis nutzen, dadurch die Einnahme ihrer sonstigen Medikation veränderten, z. B. die Dosis reduzierten oder sogar einen Wirkstoff ganz absetzten.

Dafür analysierte das Team die Ergebnisse einer anonymen Onlinebefragung von Erwachsenen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen oder Fibromyalgie. In der Umfrage wurde u. a. nach der aktuellen und der früheren Nutzung von medizinischem Cannabis, der Einnahme von Medikamenten sowie vorliegenden Beschwerden gefragt. 1.727 Patientinnen und Patienten schlossen die Umfrage ab. 655 von ihnen hatten noch nie Cannabis konsumiert, 268 hatten es verwendet, waren aber wieder davon abgekommen. 763 Teilnehmende nutzten aktuell medizinisches Cannabis und wurden in die Analyse einbezogen. 

Antidepressiva und Schlafmittel abgesetzt

Knapp 91 % der Teilnehmenden gaben an, zusätzlich zum Cannabis Medikamente einzunehmen. Dabei handelte es sich vor allem um NSAR und DMARD, seltener um Opioide, SNRI, SSRI, Gabapentinoide, Benzodiazepine, Muskelrelaxanzien oder Schlafmittel. 62,5 % der Cannabisnutzer berichteten, ihre Medikation geändert zu haben. Am häufigsten geschah dies bei NSAR und Opioiden (n = 261, 54,7 % bzw. n = 232, 48,6 %), seltener bei Schlafmitteln, Muskelrelaxanzien, Benzodiazepinen und Gabapentinoiden. 

In den allermeisten Fällen wurden die Medikamente abgesetzt oder in der Dosis reduziert, nur sehr selten erhöht. Komplett gestrichen wurden am häufigsten Schlafmittel, Gabapentinoide sowie SSRI und SNRI, aber auch DMARD. Letzteres ist ohne ärztliche Begleitung besorgniserregend, da es zu Schüben führen kann, betont das Autorenteam. 

Weniger Schmerzen und erholsamerer Schlaf

Gründe für den teilweisen oder kompletten Medikamentenersatz waren vor allem geringere Nebenwirkungen und eine bessere Kontrolle der Beschwerden. Insgesamt besserte das Cannabis mehrere Symptome signifikant, darunter Schmerzen, Schlaf, Gelenksteife, Muskelspasmen, Entzündung und die allgemeine Gesundheit. Diejenigen, die Medikamente ersetzten, berichteten von einer längeren Nutzungsdauer, einer höheren Nutzungsfrequenz, verwendeten häufiger THC-dominierte Produkte und neigten eher dazu, das Cannabis zu inhalieren, als jene Nutzer, die ihre Medikation nicht verändert hatten.

Bezüglich der positiven Effekte und der Verringerung des Medikamentengebrauchs – bis auf das besorgniserregende Absetzen von DMARD – waren die Ergebnisse dieser Studie ermutigend, schreibt das Autorenteam. Solche Umfragen könnten allerdings nur ein Hinweis auf eine potenzielle Wirkung sein. 

Quelle: Boehnke KF et al. ACR Open Rheumatol 2024; doi: 10.1002/acr2.11717