Vorsorge-Koloskopie Mehr Menschen zur Darmkrebs-Vorsorge motivieren!
Die Koloskopie gilt als Goldstandard zur Darmkrebs-Früherkennung, und bereits seit 2002 gibt es das Vorsorge-Koloskopieprogramm in Deutschland, schreiben Prof. Dr. Alexander Arlt und Prof. Dr. Peter Layer vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg. Dieses Früherkennungsprogramm der gesetzlichen Krankenkassen sieht für Männer ab dem 50. und für Frauen ab dem 55. Lebensjahr zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren vor. Männer erkranken statistisch früher an Darmkrebs, daher wird ihnen auch früher eine Vorsorge-Koloskopie angeboten.
Von der normalen Schleimhaut zum Karzinom
Die allermeisten kolorektalen Karzinome gehen über Stufen genetischer Mutationen aus Adenomen hervor, wie das Modell der Adenom-Karzinom-Sequenz besagt: Aus normaler Schleimhaut entwickelt sich im Verlauf von etwa zehn Jahren zunächst ein kleiner Polyp, dann ein großer Polyp und schließlich Krebs. Dieses Modell und der postulierte Zeitraum von etwa zehn Jahren bis zum manifesten Karzinom begründen die Vorsorgeprogramme (zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren).
Wer sich nicht zu einer Darmspiegelung durchringen kann, bekommt von den Kassen immunologische Tests auf verborgenes Blut im Stuhl angeboten (vom 50.–54. Lebensjahr jährlich; ab dem 55. Lebensjahr alle zwei Jahre, wenn keine Koloskopie erwünscht ist). Diese Stuhltests sind einfach durchzuführen und nebenwirkungsfrei, aber leider wenig spezifisch. Oft fallen sie positiv aus, ohne dass eine Krebserkrankung vorliegt. Noch problematischer ist aber, dass die Stuhltests etwa 30 % der Tumoren und viele Polypen nicht erfassen können, weil diese keine Blutspuren im Stuhl hinterlassen. Daher sollten diese Tests nur bei Personen eingesetzt werden, die eine Darmspiegelung ablehnen.
Die Vorsorge-Koloskopie ist nach wie vor ausgesprochen unbeliebt: Man muss davon ausgehen, dass pro Jahr nur etwa 2–3 % der anspruchsberechtigten Versicherten diese Untersuchung durchführen lassen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angst vor der Untersuchung, aber auch vor Unannehmlichkeiten, Schmerzen und Komplikationen. Sehr viele fürchten sich auch davor, dass bei der Darmspiegelung eine Krebserkrankung festgestellt werden könnte – was jedoch nur bei 1 % der Untersuchung der Fall ist. Schließlich konnten Umfragen zeigen, dass viele Berechtigte gar keine Kenntnis über das Früherkennungsprogramm und die kostenlose Leistung ihrer Krankenkasse haben.
Besser als ihr Ruf: Was die NordICC-Studie wirklich aussagt
Die 2022 im New England Journal of Medicine veröffentlichte NordICC-Studie zur Wirksamkeit von Screening-Darmspiegelungen deutete eine relativ bescheidene Reduktion der Darmkrebsfälle von 18 % an (in der Intention-to-screen-Gruppe). Dieses Ergebnis enttäuschte so manche Erwartungen und führte in Fachkreisen zu Skepsis und Unruhe.
Ein Team aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) deckte kürzlich einige Schwachstellen in der Auswertung und Dateninterpretation der NordICC-Studie auf und führte neue Berechnungen durch. Auf diese Weise ließ sich anhand der Daten der NordICC-Studie eine Screening-bedingte Reduktion der Darmkrebs-Neuerkrankungen um ca. 50 % nachweisen – im Gegensatz zu den ursprünglich publizierten 18 %.
Die Screening-Koloskopie hat also ein Akzeptanz- und Wahrnehmungsproblem. Hinzu kommen weitere ungeklärte Punkte: Derzeit wird kontrovers diskutiert, wann die erste Vorsorge-Darmspiegelung genau durchgeführt werden sollte. Denn aktuelle Beobachtungen zeigen, dass Darmkrebs zunehmend früher auftritt, vor allem bei adipösen Menschen. Auch wird darüber debattiert, ob zwei Koloskopien (z.B. im Alter von 55 und 65 Jahren) wirklich ausreichen und ob der Zeitabstand von zehn Jahren optimal ist.
Wichtig wäre zunächst, deutlich mehr Menschen für die Vorsorge-Koloskopie zu motivieren. Die Krankenkassen laden ihre Versicherten zwar schriftlich zur Teilnahme am Früherkennungsprogramm ein, doch das reicht offensichtlich nicht. Die Autoren wünschen sich, dass auch Hausärzte und Hausärztinnen sowie andere Disziplinen (Gynäkologie, Urologie) noch intensiver zum Thema Darmkrebsvorsorge beraten. Ziel wäre es, die Teilnahmerate auf mindestens 50 % zu steigern.
Quelle: Arlt A, Layer P. Hamburger Ärzteblatt 2024; 78: 12-16