Urogenitaler Deszensus Mit Chirurgie der Schwerkraft trotzen
Insgesamt neun Bänder, Faszien und Bindegewebsstrukturen halten bei der Frau das kleine Becken und seine Organe wie Blase, Scheide, Uterus und Anorektum an ihrem Platz. Sie sorgen z.B. dafür, dass sich die Harnröhre bei der Miktion öffnet, ansonsten aber dicht verschlossen bleibt. Mit zunehmendem Alter, als Folge vaginaler Entbindungen, aber auch durch angeborene Defekte kann dieser Stützapparat ausleiern. Die Scheide rutscht dann nach unten, womit sich die ansetzenden Muskeln verlängern und an Kraft verlieren. Mögliche Folgen sind Harn- und Stuhlinkontinenz, Blasenentleerungsstörungen, Nykturie und Schmerzen.
Wird die Diagnose aufgrund der Angaben von Patientinnen gestellt, beträgt die Prävalenz des urogenitalen Deszensus bis zu 31 %. Durch die vaginale Untersuchung erhöht sich die Häufigkeit auf bis zu 50 %, berichten Dr. Bernhard Liedl vom Zentrum für Rekonstruktive Urogenitalchirurgie in München-Planegg und Kollegen. Wird der Deszensus durch achsengerechte anatomische Rekonstruktion behoben, lassen sich Muskelkraft und Funktion unmittelbar wiederherstellen.
Blasenentleerungsstörungen lassen sich operativ beheben
Inwieweit sich diese Reparatur auf die Symptome auswirkt, wurde in der PROpel-Studie untersucht, wie die Autoren berichten. Eingeschlossen waren 277 Frauen mit symptomatischem vaginalen Prolaps. Sie beantworteten vor dem Eingriff sowie 6, 12 und 24 Monate danach 46 Fragen und unterzogen sich Kontrolluntersuchungen. Patientinnen, die vor der OP unter Blasenentleerungsstörungen gelitten hatten, waren nach gelungener Rekonstruktion zu 87 % ihre Beschwerden los. War die Chirurgie nicht erfolgreich, betrug die Heilungsrate nur 50 %. Dranginkontinenz und Nykturie verschwanden nach geglückter Operation in 82 % bzw. 92 % der Fälle, bei Nonrespondern nur in 46 % bzw. 30 %. Schmerzen, die die Frauen präoperativ angegeben hatten, besserten sich durch den Eingriff hochsignifikant (Risk Ratio 2,1–10,1) mit Heilungsraten zwischen 53 % und 90 %. Etwas seltener litten die Patientinnen unter anorektalen Dysfunktionen. Durch die Operation verschwand eine Stuhlinkontinenz je nach Schweregrad bei 58–72 % der Frauen, Symptome der obstruktiven Defäkation (z.B. das Gefühl, stark drücken zu müssen, um Stuhlgang zu haben) bei 71–84 %.
Mit der rekonstruktiven Beckenbodenchirurgie lässt sich die Lebensqualität also deutlich verbessern, resümieren die Autoren. Sie plädieren dafür, die aktuell unterschiedlichen operativen Techniken zur Prolapskorrektur hinsichtlich dieses Ziels zu überprüfen.
Quelle: Liedl B et al. Urologie 2024; 63: 43-50; DOI: 10.1007/s00120-023-02247-6