Chronischer Schmerz Mit Pumpe und Elektrode
Zwischen 10 % und 20 % der erwachsenen Bevölkerung klagen laut der deutschen Schmerzgesellschaft über chronische Schmerzen. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Depression und Suizide, sie leiden unter sozialer Isolation und Schlafproblemen. Ihr allgemeiner Gesundheitszustand ist meist schlecht, schreibt Dr. Georgios Matis von den Universitätskliniken Köln. Da die Prävalenz chronischer Schmerzen mit dem Alter steigt und der Anteil der Senioren an der Bevölkerung stetig wächst, befürchten Experten eine Ausweitung des Problems.
Die medikamentöse Behandlung erweist sich oft als schwierig. Doch es gibt andere Wege, der dauernden Qual beizukommen. In seinem Fachbeitrag beschäftigt sich Dr. Matis mit verschiedenen neurochirurgischen Methoden, welche die Symptome lindern können.
Eine Möglichkeit ist die Implantation einer Schmerzpumpe. Hierbei legt man einen Katheter in den Liquorraum im Bereich der Lendenwirbelsäule und verbindet diesen mit einer elektronischen oder gasdruckbetriebenen Pumpe. Diese wird in das Unterhautfettgewebe des Bauches implantiert und verfügt über ein von extern befüllbares Medikamentenreservoir. Die Pumpentherapie kann die Belastung der Patienten deutlich reduzieren. Zu den Nebenwirkungen zählen allerdings Verstopfung, Übelkeit und Harnverhalt.
Stromstöße beeinflussen Schmerzfasern
Verschiedene andere Techniken nutzen Elektroden, die leichte Stromstöße abgeben und auf diese Weise insbesondere die schmerzleitenden Nervenfasern beeinflussen. Ein programmierbarer Stimulator oder Impulsgeber, der meist ebenfalls implantiert wird, steuert Dauer und Intensität der Stöße. Bei der Rückenmarkstimulation werden beispielsweise eine oder mehrere Elektroden in den Epiduralraum eingebracht, um die Hinterhörner des Rückenmarks zu stimulieren.
Die Technik lindert die Symptome verschiedener Schmerzerkrankungen und kann auch im höheren Lebensalter zum Einsatz kommen.
Eine verfeinerte Methode ist die Spinalganglienstimulation. Hierbei liegt Elektrode direkt am passenden Spinalganglion. Das ist zwar chirurgisch anspruchsvoller, ermöglicht aber eine exaktere Schmerzmodulierung. Zu den Einsatzgebieten zählen Knie- und Fußschmerzen sowie Schmerzen nach Leistenhernien-OP.
Andere Methoden zielen auf das periphere Nervensystem ab. Bei der peripheren Nervenfeldstimulation etwa werden eine oder mehrere Elektroden subkutan an die Grenze des schmerzenden Areals implantiert – z.B. an Nacken, Rücken oder Brustwirbelsäule. Diese einfache und risikoarme Therapie kommt insbesondere bei älteren Patienten zum Einsatz.
Die periphere Nervenstimulation erfolgt dagegen durch direkte Stimulation eines verletzten peripheren Nervs. Die elektrischen Impulse lösen Kribbelempfindungen im schmerzhaften Areal aus, was die Schmerzen verringert.
Eine nur kurzfristige Nervenstimulation – mit oft lange andauernder Wirkung – stellt die gepulste Radiofrequenztherapie dar. Bei diesem Eingriff, der ambulant erfolgt, wird in Lokalanästhesie vorübergehend eine Elektrode epidural platziert. Gepulste elektrische Ströme erhöhen die Temperatur des Nervengewebes vorübergehend auf 42 °C. Noch Monate später sind die Schmerzen bei vielen Patienten deutlich gebessert.
Statt Nerven nur zu erhitzen, kann man sie auch gezielt ausschalten. Das passiert beispielsweise bei der Facetten- oder Iliosakralgelenk-Denervierung. Dabei werden jene Nerven, welche die von den Gelenken ausgehenden Schmerzsignale weiterleiten, vorübergehend unterbrochen oder zerstört.
Die fraktionierte Thermokoagulation dagegen ist ein Verfahren, das speziell im Fall einer Trigeminusneuralgie Anwendung findet: Im Ganglion Gasseri erfolgt eine Verödung der schmerzleitenden Fasern. Dabei bleiben Alpha-Fasern, die Informationen über Berührungen weiterleiten, soweit wie möglich erhalten. Die Schmerzreduktion hält oft viele Jahre an.
Ein externer Aktivator startet die Behandlung
Absteigende Leitungsbahnen bieten sich ebenfalls für die Neuromodulation an, etwa bei der Stimulation der Multifidusmuskeln. Dabei werden Elektroden auf beiden Seiten des medialen Astes des dorsalen Ramus am Wirbel L3 platziert. Die elektrischen Impulse lösen Kontraktionen der wichtigen stabilisierenden Muskeln der Lendenwirbelsäule aus und stärken diese dadurch. Die Behandlungen werden üblicherweise zwei Mal täglich über einen externen Aktivator gestartet und dauern 30 Minuten.
Allen neurochirurgischen Therapien ist gemein, dass sie stets Teil eines individuellen Therapiekonzepts sein müssen, gibt Dr. Matis zu bedenken. Bei der Entscheidung für eines der Verfahren gehe es nicht nur um neurologische Aspekte, vielmehr müsse man auch den Gesamtzustand und Vorerkrankungen des Patienten berücksichtigen. Dabei kommen im höheren Lebensalter immer häufiger die weniger belastenden oder minimalinvasiven Verfahren zum Einsatz.
Quelle Text und Abb.: Matis GK. internistische praxis 2022; 65: 199-205 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach