Malaria, Dengue, Zika Mit welchen Vektorerkrankungen infolge des Klimawandels zu rechnen ist

Autor: Nils Bröckelmann

Die Diagnose ist von Vektor­erkrankungen aufgrund der meist unspezifischen Symptome schwierig. Die Diagnose ist von Vektor­erkrankungen aufgrund der meist unspezifischen Symptome schwierig. © arcyto – stock.adobe.com

Dank Erderwärmung und extremen Wetterlagen dürften Mückenschwärme mit exotischer Last bei uns künftig zunehmen. Gleichzeitig könnten sich verändernde Umweltbedingungen einigen Blutsaugern in anderen Weltregionen den Aufenthalt aber durchaus verleiden.

Ein Anstieg der Durchschnitts­temperatur, kaum Frost im Winter und eine verlängerte Übertragungssaison sind nur einige der Veränderungen, die in den kommenden Jahrzehnten zu einer deutlichen Ausbreitung von vektorgebundenen Infektionskrankheiten führen werden, schreiben Prof. Dr. ­Madeleine ­Thomson vom Wellcome Trust in London und Prof. Dr. ­Lawrence ­Stanberry von der Columbia Universität New York. Die Wissenschaftler erwarten u.a. die Zunahme von Malaria, Borreliose, Dengue und West-Nil-Fieber, sofern entsprechende Kontrollstrategien nicht angepasst und intensiviert werden.

Malaria

Ausgelöst durch Plasmodium-Spezies und übertragen durch infizierte weibliche Anopheles-Mücken, fordert Malaria jährlich hunderttausende Tote vor allem in Afrika – viele davon schwangere Frauen und Kinder. Der Klimawandel verändert die Ausbreitung über Mechanismen, die je nach Region zu gegenläufigen Ergebnissen führen: Während in Kolumbien oder Äthiopien ein Temperaturanstieg um 0,2 °C binnen zehn Jahren die Malaria in höhere Regionen trug, könnten häufigere Dürren andernorts die Prävalenz der Erkrankung auf lange Sicht sogar eher reduzieren.

Dengue-Fieber

Das Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die vor allem durch die Mückenarten Aedes aegypti und Aedes albopictus übertragen wird. In den letzten Jahrzehnten haben nachlassende Anstrengungen zur Eindämmung der Mückenhabitate, globaler Handel und Reisetätigkeit die Expansion der Erkrankung befeuert. Brutstätten sind z.B. mit Regenwasser gefüllte Astlöcher, Töpfe oder alte Autoreifen. Flutkatastrophen begünstigen großflächig die Ausbreitung von Dengue. Geschätzt kommt es jedes Jahr zu 390 Millionen Dengue-Fällen in über 100 Ländern. Dabei wird die Erkrankung nicht mehr zwangsläufig aus fernen Regionen importiert: 2010 gab es Übertragungen innerhalb Frankreichs und Kroatiens. Schuld an der Ausbreitung ist nicht zuletzt der Umstand, dass neben dem Blut auch die Eier der Mücken infiziert sind, sodass das Virus an die Nachkommen weitergegeben wird. Zudem können die Eier auch sehr trockene Perioden unbeschadet überstehen.

Zika

Das Zika- wird wie das Dengue-Virus primär über Mücken der Gattung Aedes übertragen. Extreme Wetterphänomene (z.B. Dürreperioden im Zusammenhang mit El Niño) begünstigen das Auftreten der Erkrankung. Zuletzt machte sie durch den großen Ausbruch 2015 in Brasilien von sich reden.

Borreliose

Die Borreliose, die durch Bakterien der Gruppe Borrelia burgdorferi ausgelöst und von Zecken übertragen wird, hat eine geschätzte weltweite Seroprävalenz von 14,5 % und ist hierzulande besonders häufig. Durch wärmere Temperaturen dringen die Vektoren, Zecken der Gattung Ixodes, in nördlichere Gefilde wie Norwegen oder Kanada vor. In einigen Regionen, in denen die Erkrankung bereits bekannt war, verzeichnete sie in den letzten Jahren eine kräftige Zunahme. Dies liegt nicht zuletzt an einer Verlängerung der warmen Jahreszeit, in der Menschen üblicherweise mit Zecken in Kontakt kommen.

West-Nil-Fieber

Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus ist potenziell tödlich. Der Erreger wird durch mehr als 65 Stechmückenarten übertragen, darunter häufig Vertreter der bei uns anzutreffenden Gattung Culex. Bereits 2010 kam es im Rahmen von Hitzewellen in Europa zum gehäuften Auftreten der Erkrankung. Kürzlich konnten Forscher zeigen, dass das Virus hierzulande in Mücken überwintern kann. Hitzewellen und mildere Winter könnten zu einer Zunahme der Erkrankung in Europa führen.

Gesundheitswesen und Politik sind gefordert, Programme zur Überwachung von Infektionskrankheiten zu etablieren, langfristig zu finanzieren und das öffentliche Bewusstsein zu stärken. Malaria ist ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich Nachlässigkeit in diesem Bereich sein kann, betonen die Autoren. Denn nachdem die Finanzierung von Programmen zur Infektionsbekämpfung nachgelassen habe, sei Malaria nun wieder auf dem Vormarsch. Ein zusätzliches Problem stellt die erhöhte Resistenz gegen Malariamedikamente dar. Ein Malariaimpfstoff zeigte in der Vergangenheit nur begrenzt Wirkung. Doch bleiben Forscher nicht untätig: In einer aktuellen Phase-2-Studie konnte die Infusion von monoklonalen Antikörpern die Infektion sechs Monate lang verhindern. Impfungen gegen Borreliose und Dengue werden aktuell in Phase-3-Studien getestet.

Vektorerkrankungen, die in Zukunft in Europa Fuß fassen könnten

Erkrankung

Erreger 

Vektor

Malaria

verschiedene Spezies der Gattung Plasmodium (einzellige Parasiten)

diverse Mückenarten der Gattung Anopheles

Dengue-Fieber

Dengue-Virus (Arbovirus)

Mücken, v.a. Aedes aegypti und A. albopictus

Zika-Fieber

Zika-Virus (Arbovirus)

Mücken, v.a. Aedes aegypti und A. albopictus

West-Nil-Fieber

West-Nil-Virus (Arbovirus)

diverse Mückenarten v.a. der Gattung Culex

Das Gesundheitswesen spielt den Autoren zufolge eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen. Nicht nur gelte es, diesen Sektor, der aktuell etwa 4,9 % der weltweiten Emissionen hervorruft, klimafreundlicher zu gestalten. Aufgrund des hohen Ansehens der Ärzteschaft habe das Engagement dieses Berufsstands besonderes Gewicht. Im Praxisalltag kommen auf Mediziner einige Herausforderungen zu. So ist die Diagnose von Vektor­erkrankungen aufgrund der meist unspezifischen Symptome schwierig. Bei Patienten mit akuten febrilen Beschwerden sollte diese Option aber künftig in Betracht gezogen werden. Elementar wird zudem die Prävention. Dazu gehört es beispielsweise, Patienten über die Aktivitätszeiten von Zecken und die Gefahren eines Stichs aufzuklären sowie hinsichtlich einer FSME-Impfung zu beraten.

Quelle: Thomson MC, Stanberry LR. N Engl J Med 2022; 387: 1969-1978; DOI: 10.1056/NEJMra2200092