Molekulardiagnostik: Fachgesellschaften veröffentlichen Positionspapier für die Onkologie
Unter Schriftführung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und nach einer halbjährigen Diskussion zu Risiken und Vorteilen haben mehrere Fachgesellschaften ihre Vorstellungen von einer qualitätsgesicherten Molekulardiagnostik formuliert. In Berlin stellten Vertreter der DGHO und der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP) das Papier vor.
Darin beschreiben sie folgende Handlungsfelder bezüglich der Molekulardiagnostik:
- flächendeckende Verfügbarkeit
- qualitätsgesicherte Durchführung
- ärztliche Fort- und Weiterbildung
- umfassende Patienteninformation
- Kostenerstattung
- Umgang mit Angeboten zentralisierter, kommerzieller Anbieter
- Wissen generierende Versorgung
Die Spezialisten drängen unter anderem auf eine Klarstellung, weil kommerzielle Anbieter von Molekulartests – vorwiegend aus den USA – auf den Markt drängen, die ihre Angebote bei Ärzten und Patienten bewerben und als Selbstzahlerleistung offerieren. Die Ergebnisse eines Tests sind aber nicht allein bei Therapieentscheidungen zu beachten, machten die Experten deutlich.
Die molekulare Diagnostik müsse im klinischen Kontext sinnvoll indiziert und interpretiert werden, sagte der Vorsitzende der DGHO, Professor Dr. Carsten Bokemeyer: „Am Ende der Diagnostik steht die interdisziplinäre Diskussion im Tumorboard zur Erstellung der Therapieempfehlung für unsere Patienten.“
Er wies darauf hin, dass an vielen Zentren bereits molekulare Tumorboards mit besonderer Expertise in der Interpretation molekulardiagnostischer Befunde entstanden sind, die auch überregional zusammenarbeiten.
Prof. Bokemeyer warnte zugleich vor enttäuschten Erwartungen. In einer nicht selektionierten Kohorte finde sich bei maximal einem Viertel aller Tests ein sinnvolles Target und für weniger als die Hälfte davon gebe es ein entsprechendes Medikament, das wiederum bei höchstens der Hälfte der Patienten wirke.
Molekulare Testung umfassend dokumentieren
Prof. Bokemeyer berichtete aus der klinischen Praxis des Universitären Cancer Center Hamburg. 150 Empfehlungen spricht das molekulare Tumorboard pro Jahr aus. In 70 % der Fälle wird eine Therapie empfohlen. Davon sind 30 % zugelassene zielgerichtete Therapien, 60 % Off-Label-Use-Therapien und 10 % der Fälle werden in klinische Studien eingeschlossen.
Der Onkologe zeigte sich zudem überzeugt, dass die Spezialsituation molekular individualisierter Medizin in besonderer Weise Erkenntnisse für die Versorgung im Krebssektor generiert. Die molekulare Testung müsse nicht nur in ein klinisches Umfeld eingebettet sein, die daraus resultierende Therapie müsse auch kontrolliert durchgeführt und umfassend dokumentiert werden.
Vorschläge im Positionspapier der Fachgesellschaften
- Die Indikation zur Anforderung von Molekulardiagnostik ist zielgerichtet. Ziele sind Maßnahmen zur Prävention, zum Screening, zur Diagnosesicherung und/oder zur Therapie.
- Molekulardiagnostische Verfahren in der Therapie sind indiziert, wenn das Ergebnis einen Einfluss auf das weitere Vorgehen hat, in Übereinstimmung mit aktuellen Leitlinien.
- Die Durchführung der molekularbiologischen Analysen muss in die weiteren Schritte der Diagnostik nach der histologischen und zytologischen Untersuchung integriert sein. Maßnahmen der Qualitätssicherung sind Ringversuche und Akkreditierung.
- Daten müssen geschützt sein und in anonymisierter oder pseudonymisierter Form für Grundlagen- und Versorgungsforschung zur Verfügung stehen.
Hohe technische Expertise muss gesichert sein
„Voraussetzung für jedwede Art kommerziell orientierter Molekulardiagnostik ist ihre Integration in den im Positionspapier skizzierten Arbeitsablauf“, bekräftigte Professor Dr. Wilko Weichert, Mitglied im Vorstand DGP. Notwendig sei eine morphomolekulare „ganzheitliche“ Diagnose zur Personalisierung der Behandlung. Das setzt seinen Ausführungen zufolge eine hohe technische Expertise, die externe Validierung der Analysequalität durch Teilnahme an Qualitätskontrollen in Form von Ringversuchen und eine Akkreditierung bzw. Zertifizierung der Labore voraus. Nicht jedes Institut für Pathologie und nicht jedes hämatologische Labor könne eine umfassende Molekulardiagnostik anbieten, so Prof. Weichert. Es gebe aber bereits 98 akkreditierte Institute, davon 38 für Molekularpathologie. Der Auf- und Ausbau kooperativer Strukturen sei weiter zu fördern, um den Arbeitsablauf und die Einhaltung der Kriterien der Qualitätssicherung zu garantieren. Wie der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG,) Professor Dr. Olaf Ortmann, darlegte, sind molekulardiagnostische Verfahren zur Typisierung einer Tumorerkrankung dann indiziert, wenn mit konventionellen gewebediagnostischen Verfahren (zytologische oder histologische, mikroskopische Analysen) keine ausreichende Diagnosesicherung möglich ist und wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, mittels ergänzender (molekulargenetischer) Diagnostik den höheren oder geringeren Nutzen einer spezifischen Therapie für den jeweiligen Patienten vorherzusagen – in Übereinstimmung mit aktuellen Leitlinien.Kontinuierlich erhobene Daten könnten Erstattung erleichtern
Prof. Ortmann verwies diesbezüglich auf die TAILORx-Studie zum prädiktiven Wert einer Genexpressionsanalyse bei Patientinnen mit HR-positivem, nodal negativem Mammakarzinom. Auf Basis der TAILORx-Studie könne „bei einer definierten Gruppe von Patientinnen mit Hormonrezeptor (HR)-positivem Mammakarzinom die Empfehlung zur adjuvanten Chemotherapie unterstützt, bei einer anderen Gruppe auf die Chemotherapie verzichtet werden“, so der Präsident der DKG. Der Medizinische Leiter der DGHO, Professor Dr. Bernhard Wörmann, sprach die Erstattung molekulardiagnostischer Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung an. Er hofft, dass durch eine kontinuierliche Analyse der Kosten molekularer Diagnostik im ambulanten und stationären Bereich künftig auch eine Anpassung der Erstattung möglich sein wird.Quelle: DGHO-Pressekonferenz