Brustkrebs, Osteoporose, Depressionen Nach Malignom im Kindesalter droht weiterhin Ungemach
Auch wenn Kinder heute durch OP, Chemo- und/oder Strahlentherapie ihre primären Malignome überleben, drohen etwa zwei Dritteln von ihnen in den nächsten 30 Jahren Spätfolgen, schreiben Jana Vachek vom Bereich Pädiatrische Hämatologie und Onkologie und Dr. Judith Gebauer von der Medizinischen Klinik 1 des UKSH Campus Lübeck. Die Kinder benötigen deshalb auch nach Abschluss der Behandlung eine mehr oder weniger engmaschige Überwachung.
Diese richtet sich nach Art des Primärtumors, der eingesetzten Therapien, genetischen Eigenschaften und persönlichen Faktoren wie Geschlecht und Alter zum Zeitpunkt der Diagnose. Mögliche Folgen umfassen beispielsweise
- Kardiomyopathien nach Gabe von Anthrazyklin-Zytostatika oder wenn bei einer Strahlentherapie das Herz im Strahlenfeld lag
- Nephropathien nach Chemotherapie mit Cisplatin oder Ifosfamid
- endokrinologische Störungen nach Bestrahlung des Schädels oder wenn endokrine Organe in der Nähe des Strahlenfelds lagen
Zu den häufigsten Zweiterkrankungen nach pädiatrischen Malignomen gehören Mammakarzinome, Osteoporose und psychologisch-psychiatrische Störungen. Die jeweiligen Empfehlungen zur strukturierten Vorsorge werden in den Leitlinien zur Langzeitnachsorge fortwährend aktualisiert.
Brustkrebsvorsorge
Nach einer Radiatio des Thoraxbereichs haben Mädchen in ihrem weiteren Leben ein stark erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom. So erkrankt nach geheiltem Hodgkin-Lymphom gut jede dritte Patientin bis zum 50. Lebensjahr an Brustkrebs. Für diejenigen, die mit einer Dosis von zehn Gray oder mehr im Brustbereich bestrahlt wurden, empfiehlt die International Guideline Harmonization Group (IGHG) ab dem 26. Lebensjahr (oder acht Jahre nach Bestrahlungsende) bis zum Alter von 60 Jahren ein jährliches Brustkrebsscreening. Dieses sollte eine klinische Untersuchung der Mammae, eine Mammografie und eine Brust-MRT einschließen. Die Empfehlung erstreckt sich, etwas schwächer, auch auf Frauen nach Radiatio im oberen Abdomen, etwa wegen eines Nephroblastoms.
Männer haben nach thorakaler Bestrahlung im Kindesalter ebenfalls ein erhöhtes Mammakarzinomrisiko. Für sie ist jedoch noch kein intensiviertes Screening vorgesehen. Treten Anzeichen für einen Brustkrebs auf, ist der Verdacht sorgfältig abzuklären.
Knochendichte
Frühere Malignome des Skelettsystems können die Knochendichte vermindern. Das Gleiche gilt für endokrinologische Störungen durch die Krebstherapie. Bei klassischen Symptomen wie Rückenschmerzen oder Frakturen schon nach leichten Traumata sollte man deshalb die Knochendichte prüfen. Die Experten der IGHG raten bei Patienten, deren Schädel und/oder Wirbelsäule bestrahlt wurde, unmittelbar nach Ende der Behandlung und erneut im Alter von 25 Jahren zu einer Knochendichtemessung mittels DXA. Bei einem Z-Score von -1 oder weniger empfiehlt sich eine intensive endokrinologische Diagnostik, etwa die Bestimmung des Wachstumshormons. Zusätzlich sollten die Betroffenen auf Nikotin und Alkohol verzichten, Sport treiben und Vitamin D einnehmen.
Zusammenarbeit ist gefordert
Langzeitkontrollen ehemaliger Kinderkrebspatienten können jährlich, alle zwei, drei oder fünf Jahre notwendig sein, je nach individuellem Risiko. Dabei gilt, dass nur ein interdisziplinäres Team eine optimale Nachsorge gewährleisten kann. Dazu gehören als Kernmannschaft ein Hausarzt oder Internist, ein pädiatrischer Onkologe, ein Psychologe bzw. Sozialarbeiter und ein Patientenbegleiter. Je nach Bedarf kann man weitere Spezialisten hinzuziehen, wie Gynäkologen, Ernährungsberater, Sportmediziner oder verschiedene Endokrinologen.
Das gilt auch für diejenigen Langzeitüberlebenden, die keine Bestrahlung hatten, aber aus anderen Gründen ein erhöhtes Osteoporoserisiko aufweisen – z.B. aufgrund von Glukokortikoideinnahme, geringem Body-Mass-Index oder männlichem
Geschlecht.
Psychische Verfassung
Depressionen und Angststörungen treten bei ehemaligen kinderonkologischen Patienten gehäuft auf. Zudem entwickeln nahezu drei Viertel von ihnen eine leichte posttraumatische Belastungsstörung. Schon ab dem ersten Nachsorgetermin sollten die behandelnden Ärzte Fragen stellen, die gezielt auf solche Folgen eingehen. Geeignete Formulierungen sind:
- Haben Sie sich in letzter Zeit traurig oder überlastet gefühlt?
- Haben Sie Probleme, mit Erinnerungen an Ihre Krebserkrankung umzugehen?
- Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich selbst zu verletzen oder Ihrem Leben ein Ende zu setzen?
Bei einer oder sogar mehreren Ja-Antworten sollte man, wenn noch nicht geschehen, einen entsprechend erfahrenen Psychologen oder Psychiater ins Boot holen. Ähnliches ist auch bei einem Fatiguesyndrom ratsam. Sind körperliche Ursachen für die krankhafte Erschöpfung ausgeschlossen, können Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sowie eine Verhaltenstherapie die Lebensqualität verbessern.
Quelle: Vachek J, Gebauer J. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 731-736; DOI: 10.1055/a-2055-7388