Zufallsbefund Pankreaszyste Nicht alle zystischen Gebilde der Bauchspeicheldrüse müssen sofort entfernt werden

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Pankreaszysten machen i.d.R. keine Beschwerden und werden daher häufig zufällig entdeckt. Pankreaszysten machen i.d.R. keine Beschwerden und werden daher häufig zufällig entdeckt. © SewcreamStudio – stock.adobe.com; Science Photo Library

Je besser die Bildgebung, desto mehr Zufallsbefunde tauchen auf, das gilt auch für zystische Läsionen im Pankreas. Bei einigen hat der Chirurg sofort seinen Auftritt, bei anderen reicht zunächst die regelmäßige Überwachung.

Bei bis zur Hälfte aller radiologischer Untersuchungen finden sich zystische Gebilde im Pankreas. Nicht alle sind harmlos, betonen PD Dr. Bernhard Renz, Klinik für Allgemein-, Viszeral und Transplantationschirurgie, LMU-Klinikum München, und Kollegen. Auch deshalb hat man früher diese Raumforderungen (fast) immer sofort operativ entfernt. Heute geht man gezielter vor, berücksichtigt die Symptomatik und versucht zunächst durch weniger invasive Methoden herauszufinden, worum es sich bei diesen Läsionen genau handelt.

Benignität oder Malignität bzw. die Entwicklung eines Malignoms aus Vorläuferstadien kann man nicht anhand der Größe beurteilen, dafür sind differenziertere Untersuchungen notwendig. Dazu gehören neben CT oder MRT u.a. eine Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) und eine Endosonografie, ggf. mit Feinnadelpunktion und -aspiration sowie zytologischer, biochemischer und molekularer Beurteilung der Zystenflüssigkeit. Die Konzentrationen von Lipase und carcinoembryonalem Antigen (CEA) darin können ebenfalls weiterhelfen: Erhöhte Lipasewerte sprechen für eine Ganganbindung der Zyste, CEA hilft bei der Unterscheidung zwischen muzinösen und nicht-muzinösen Läsionen, auch wenn Uneinigkeit über die Grenzwerte herrscht.

Künftig könnten mithilfe maschinellen Lernens erstellte Algorithmen auf Basis der Radiomics dazukommen, die die Genauigkeit der Diagnose verbessern können. Radiomics steht für eine Bildanalyse durch spezielle Software, die Korrelationen zwischen radiologischen Befunden, klinischen Daten und molekulargenetischen Subtypen erstellen kann.

Vorgehen bei den wichtigsten zystischen Pankreasläsionen

Art der Läsion

Lokalisation innerhalb des Pankreas

Darstellung in der Diagnostik

Behandlung

Kommentare

serös-zystische Neoplasien

Korpus/Schwanz↑

Sonografie: echoarm, hypervaskularisiert

benigne Läsion, OP nur bei Symptomen durch Verdrängung (Größe über 4 cm)

oft bei älteren Frauen zwischen 60 und 70 (grandmother lesion)

serös-pseudopapilläre Neoplasien

gesamtes Organ

  • gemischt solide und zystische Anteile

  • bei Erstdiagnose oft schon sehr groß (5–7 cm)

radikale Resektion (Entartungspotenzial 10–15 %)

  • selten, meist bei Frauen zwischen 20 und 40 (daughter lesion)

  • gute Prognose auch bei Fernmetastasen

muzinös-zystische Neoplasien

Schwanz

  • Zystenwand oft verkalkt

  • Inhalt: CEA↑↑

  • Histo: ovarielles Stroma mit Progesteron und Östrogenrezeptoren

Resektion wegen hohen Entartungspotenzials (20–30 %), steigt mit dem Alter

nur bei Frauen, meist zwischen 40 und 60 (mother lesion)

intraduktal papillär-muzinöse Neoplasien

Hauptgang oder Haupt- + Seitengang = mixed type (MT)

erweiterter Hauptgang, bei MT auch erweiterte Nebengänge

  • OP

  • bei Gangdurchmesser ab 10 mm partielle oder totale Duodenopankreatektomie, immer mit Lymphknotendissektion

  • Gangdurchmesser ab 5 mm: relative OP-Indikation, da hohes Progressionsrisiko und oft bei der Diagnose schon invasiv

Risikofaktor: neuer Diabetes mellitus in den zurückliegenden zwölf Monaten

nur in Nebengängen

erweiterte Nebengänge

  • relative OP-Indikation, nicht nur von der Zystengröße abhängig

  • parenchymsparende OP möglich, aber intraoperative Schnellschnittdiagnostik

  • minimalinvasive Möglichkeit: laparoskopische Linksresektion

  • nur Monitoring bei fehlenden Risikofaktoren möglich, individuell patientenabhängig

Risikofaktoren für maligne Entartung mit OP-Indikation:
nschnelle Größenzunahme (ab 5 mm/Jahr)

  • CA 19-9 im Serum ↑

  • kontrastmittelaufnehmender Knoten

  • neuer Diabetes

  • akute Pankreatitis

Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet bei zystischen Pankreasläsionen bis zu 20 Subgruppen, für den Alltagsgebrauch kann man sich aber meist auf vier (bis fünf) Formen beschränken, so die Experten. Das jeweilige Vorgehen zeigt die Tabelle.

Patientenparameter wie die Lebensqualität beachten

Bei der Entscheidung für oder gegen eine OP sollte man nicht nur die Zyste selbst bedenken, sondern auch relevante Patientenparameter. So stellt sich die Frage nach der Lebensqualität, die nach einer endgültigen OP eventuell besser ist. Denn eine engmaschige Überwachung kann mit Ängsten verbunden sein. Andererseits können postoperative Langzeitkomplikationen den Betroffen das Leben schwer machen, vor allem die endokrine und exokrine Pankreasinsuffizienz. Letztere ist allerdings oft weniger störend, da einfach zu behandeln.

Idealerweise sollten Patienten mit Pankreaszysten in einem Zentrum betreut werden, in dem Gastroenterologen, Chirurgen, interventionelle Radiologen, Pathologen und Psychologen im Team arbeiten, raten die Münchner Kollegen zum Abschluss.

Quelle: Renz B et al. internistische praxis 2023; 67: 1-12