Zufallsbefund Pankreaszyste Nicht alle zystischen Gebilde der Bauchspeicheldrüse müssen sofort entfernt werden
Bei bis zur Hälfte aller radiologischer Untersuchungen finden sich zystische Gebilde im Pankreas. Nicht alle sind harmlos, betonen PD Dr. Bernhard Renz, Klinik für Allgemein-, Viszeral und Transplantationschirurgie, LMU-Klinikum München, und Kollegen. Auch deshalb hat man früher diese Raumforderungen (fast) immer sofort operativ entfernt. Heute geht man gezielter vor, berücksichtigt die Symptomatik und versucht zunächst durch weniger invasive Methoden herauszufinden, worum es sich bei diesen Läsionen genau handelt.
Benignität oder Malignität bzw. die Entwicklung eines Malignoms aus Vorläuferstadien kann man nicht anhand der Größe beurteilen, dafür sind differenziertere Untersuchungen notwendig. Dazu gehören neben CT oder MRT u.a. eine Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) und eine Endosonografie, ggf. mit Feinnadelpunktion und -aspiration sowie zytologischer, biochemischer und molekularer Beurteilung der Zystenflüssigkeit. Die Konzentrationen von Lipase und carcinoembryonalem Antigen (CEA) darin können ebenfalls weiterhelfen: Erhöhte Lipasewerte sprechen für eine Ganganbindung der Zyste, CEA hilft bei der Unterscheidung zwischen muzinösen und nicht-muzinösen Läsionen, auch wenn Uneinigkeit über die Grenzwerte herrscht.
Künftig könnten mithilfe maschinellen Lernens erstellte Algorithmen auf Basis der Radiomics dazukommen, die die Genauigkeit der Diagnose verbessern können. Radiomics steht für eine Bildanalyse durch spezielle Software, die Korrelationen zwischen radiologischen Befunden, klinischen Daten und molekulargenetischen Subtypen erstellen kann.
Vorgehen bei den wichtigsten zystischen Pankreasläsionen | ||||
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Art der Läsion | Lokalisation innerhalb des Pankreas | Darstellung in der Diagnostik | Behandlung | Kommentare |
serös-zystische Neoplasien | Korpus/Schwanz↑ | Sonografie: echoarm, hypervaskularisiert | benigne Läsion, OP nur bei Symptomen durch Verdrängung (Größe über 4 cm) | oft bei älteren Frauen zwischen 60 und 70 (grandmother lesion) |
serös-pseudopapilläre Neoplasien | gesamtes Organ |
| radikale Resektion (Entartungspotenzial 10–15 %) |
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muzinös-zystische Neoplasien | Schwanz |
| Resektion wegen hohen Entartungspotenzials (20–30 %), steigt mit dem Alter | nur bei Frauen, meist zwischen 40 und 60 (mother lesion) |
intraduktal papillär-muzinöse Neoplasien | Hauptgang oder Haupt- + Seitengang = mixed type (MT) | erweiterter Hauptgang, bei MT auch erweiterte Nebengänge |
| Risikofaktor: neuer Diabetes mellitus in den zurückliegenden zwölf Monaten |
nur in Nebengängen | erweiterte Nebengänge |
| Risikofaktoren für maligne Entartung mit OP-Indikation:
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Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet bei zystischen Pankreasläsionen bis zu 20 Subgruppen, für den Alltagsgebrauch kann man sich aber meist auf vier (bis fünf) Formen beschränken, so die Experten. Das jeweilige Vorgehen zeigt die Tabelle.
Patientenparameter wie die Lebensqualität beachten
Bei der Entscheidung für oder gegen eine OP sollte man nicht nur die Zyste selbst bedenken, sondern auch relevante Patientenparameter. So stellt sich die Frage nach der Lebensqualität, die nach einer endgültigen OP eventuell besser ist. Denn eine engmaschige Überwachung kann mit Ängsten verbunden sein. Andererseits können postoperative Langzeitkomplikationen den Betroffen das Leben schwer machen, vor allem die endokrine und exokrine Pankreasinsuffizienz. Letztere ist allerdings oft weniger störend, da einfach zu behandeln.
Idealerweise sollten Patienten mit Pankreaszysten in einem Zentrum betreut werden, in dem Gastroenterologen, Chirurgen, interventionelle Radiologen, Pathologen und Psychologen im Team arbeiten, raten die Münchner Kollegen zum Abschluss.
Quelle: Renz B et al. internistische praxis 2023; 67: 1-12