Gefäßzyste führte zur Claudicatio intermittens
Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten – so lernt man es schon an der Uni. Manchmal bekommen Ärzte es aber eben doch mit „Exoten“ zu tun. So wie Dr. Ulrike Hügel von der Universitätsklinik für Angiologie am Inselspital Bern und Kollegen. Ihnen stellte sich ein 74 Jahre alter Mann vor, der über Schmerzen in der linken Wade klagte.
Symptome passten zur PAVK-Vorgeschichte
Seit etwa einem Jahr hatte er Beschwerden, die langsam zunahmen. Allerdings machten sie sich nur beim Gehen bemerkbar, etwa nach 200 m Weg. Auch berg- und treppauf ging’s für den alten Herrn nur noch gemächlich. Dagegen bereiteten ihm Ruhen, Stehen und Liegen keine Probleme. Nach einer kurzen Pause von ein bis zwei Minuten waren die Schmerzen jeweils verschwunden.
In der Vorgeschichte des Patienten fanden sich eine koronare Herzkrankheit und eine peripher arterielle Verschlusskrankheit, wegen der man schon früher einen Stent in die linke A. femoralis superficialis eingelegt hatte. Außerdem waren bei ihm zwei klassische Herz-Kreislauf-Risikofaktoren bekannt: Bluthochdruck und Hypercholesterinämie, berichtet Dr. Hügel.
Die Verdachtsdiagnose lag also auf der Hand: Da hat sich die PAVK zurückgemeldet! Dazu passten die Befunde der klinischen Untersuchung. Popliteapuls und Fußpulse links konnten nicht getastet werden. Zudem fühlte sich der linke Fuß kühler an als der rechte und die Rekapillarisierungszeit war verlängert. Und schließlich zeigte der Knöchel-Arm-Index nur etwa die Hälfte des Wertes von dem auf der gesunden Seite (0,58 vs. 1,12).
Aber zu früh gefreut: Im B-Bild der Sonographie fanden die Mediziner in der linken Kniekehle eine echofreie ovale Struktur von der Größe 1,2 cm x 1,7 cm x 0,9 cm. Genauer gesagt befand sie sich in der Gefäßwand der A. poplitea. Die anschließende farbkodierte Duplexsonographie ergab eine massiv eingeschränkte Blutfließgeschwindigkeit mit einer mehr als 90%igen Stenose der Arterie.
Daraufhin stellten die Kollegen die Diagnose einer zystischen Adventitiadegeneration der linken A. poplitea. Für diese sehr seltene Erkrankung existiert bis dato leider keine Standardtherapie. Meist entfernen Chirurgen die Zyste operativ oder resezieren gleich den ganzen Gefäßabschnitt und ersetzen ihn durch ein Veneninterponat.
Den Berner Kollegen erschien dieses Vorgehen aber zunächst unnötig invasiv. Sie punktierten die Zyste ambulant unter Ultraschallkontrolle, und das wegen inkompletter Aspiration bei muzinösem Inhalt zur Sicherheit mehrfach. Dem alten Herrn ging es schon nach dem ersten Eingriff wieder gut, woran sich auch bis zum letzten Kontrolltermin fünf Monate später nichts änderte.
Quelle: Hügel U et al. Swiss Med Forum 2020; 20: 47–49; DOI: 10.4414/smf.2020.08438