Pornosucht Patient:innen müssen neue Lebensperspektiven entwickeln
Es gibt verschiedene Gründe, die Menschen mit Onlinesexsucht in die Ambulanz für Spielsucht in Mainz treibt. Einige leiden unter erektiler Dysfunktion, weil ihre Erregungsschwelle nach vielen hundert Stunden Pornokonsum enorm angestiegen ist. Andere schämen sich vor ihren Kindern. Während der Pandemie hat die Zahl der Hilfesuchenden mit Onlinesexsucht zugenommen, berichtete Dr. Klaus Wölfling, Leiter der Ambulanz an der Universitätsmedizin Mainz. Die meisten Betroffenen sind männlich und deutscher Herkunft. Der Altersgipfel liegt bei 30 bis 40 Jahren. Zwei Drittel sind verheiratet und mehr als die Hälfte haben Kinder.
Etwa vier Stunden täglich schauen sich die Mainzer Patienten mit gesicherter Onlinesexsucht pornografische Angebote im Internet an, wobei das Material mit der Zeit immer devianter wird. In der Folge kommt es zu Problemen in der Partnerschaft und der Sexualität, zu Unkonzentriertheit im Beruf, zu finanziellen Problemen, einer immer labileren Persönlichkeit und einem schwindenden Selbstwertgefühl, erklärte der Kollege. Als wirksame Behandlungsoptionen gelten die kognitive Verhaltenstherapie, Antidepressiva sowie die Kombination aus beidem.
In Mainz will man mit der ambulanten Psychotherapie erreichen, dass die Sexsüchtigen ihren alles beherrschenden Pornografiekonsum überwinden und für sich neue Lebensperspektiven entwickeln. Abstinenz führt nach Erfahrung von Dr. Wölfling rasch zu mehr Wohlbefinden und eröffnet die Möglichkeit zu klären, welchen Raum die Sexualität zukünftig im wirklichen Leben einnehmen soll. Zudem umfasst die therapeutische Zieldefinition Komorbiditäten wie die erektile Dysfunktion. Das Mainzer Konzept sieht 20 Gruppensitzungen und je nach Bedarf zusätzliche Einzelsitzungen vor, um die individuellen Probleme zu bearbeiten. Die Patienten protokollieren Suchtverlangen und Craving einschließlich situativer Auslöser und Korrelationen des Verlangens, aber auch Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Nervosität und körperliche Symptome. Laut Prof. Wölfling verbessert sich die Symptomatik in den ersten zwei Behandlungsmonaten deutlich. Der Effekt nimmt bis zum Ende der Therapie in Monat 4 weiter zu und scheint auch darüber hinaus anzuhalten.
Quelle: DGPPN*-Kongress 2022
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde