Pneumonien bei Senioren bergen auch ethische Probleme

Autor: Dr. Elke Ruchalla / Dr. Anja Braunwarth

Wenn alte Lungen aufkeimen, stehen Ärzte vor schwerwiegenden Entscheidungen. Wenn alte Lungen aufkeimen, stehen Ärzte vor schwerwiegenden Entscheidungen. © iStock/Dr_Microbe

Egal, wie der Erreger heißt: Eine ambulant erworbene Pneumonie bringt über 80-Jährige in Lebensgefahr. Dennoch zweifelt ein Experte, ob man sie mit vollem Einsatz behandeln sollte.

Schon die Diagnose der ambulant erworbenen Pneumonie (community aquired pneumonia, CAP) kann bei Hochbetagten Probleme bereiten. So klagen sie eher über Tachy­pnoe und Lethargie als über Husten und Brustschmerz. Außerdem reagiert das mitgealterte Immunsystem auf Infektionen nicht mehr zuverlässig mit Fieber und Leukozytose. Selbst auf das Röntgenbild ist kein Verlass: Etwa ein Drittel der Aufnahmen fällt uneindeutig aus.

Internationale Empfehlungen zum Management von kritisch Kranken über 80 Jahren mit einer CAP gibt es nicht, erklärt das Team um die Pneumologin Dr. Catia Cillóniz vom Institut Clinic del Tórax der Hospital Clinic of Barcelona. Eine wesentliche Rolle spielt natürlich der Allgemeinzustand der Patienten. Gebrechlichkeit und der häufig schlechte Ernährungsstatus der Senioren (Stichwort Sarkopenie) erschweren den Verlauf einer CAP.

Chronische Erkrankungen wirken sich ebenfalls negativ aus, z.B. KHK, Diabetes mellitus oder eine COPD. Sie erhöhen zum einen die Anfälligkeit für die Pneumonie, zum anderen verschlimmern sie die Entwicklung der Entzündung. In der Regel haben Sie all diese Parameter schon in Ihrer Praxis oder bei den Visiten im Altenheim erfasst und gehen optimal dagegen vor.

Vorteil durch Beigabe von Steroiden bleibt fraglich

Führt die CAP schließlich zur Sepsis, wird die Lage fatal: Etwa jeder zweite alte Betroffene stirbt daran. Die frühzeitige Gabe von (Breitspektrum-)Antibiotika kann die Blutvergiftung vielleicht verhindern – wegen der untypischen Klinik verpasst man aber nicht selten den kritischen Zeitpunkt.

Intensivstation – ja oder nein?

Die Frage, ob und wann (sehr) alte Patienten eine intensivmedizinische Therapie erhalten sollten, hat in diesen Wochen traurige Aktualität. Wie im Falle von COVID-­19 sollte auch bei anderen CAP das Alter nicht die alleinige Bedeutung haben, mahnt das Team um Dr. Cillóniz. Von der Intensivbehandlung könnten Patienten profitieren, die nicht auf die bisherige Therapie im Krankenhaus ansprachen, die Unterstützung von Organsystemen brauchen oder eines spezifischen Monitorings bedürfen. Die Autoren weisen darauf hin, dass bei knappen Ressourcen oder zweifelhaftem Nutzen der High-Tech-Medizin Intermediate-Care-Stationen eine praktische Alternative für kritisch kranke Senioren darstellen könnten. Diese Möglichkeit scheint bisher noch zu selten genutzt zu werden.

Grundsätzlich muss man im Alter mit einem anderen Erregerspektrum rechnen, Infektionen durch Pneumokokken und Influenzaviren gewinnen an Bedeutung. Diese beiden lassen sich aber durch Impfungen verhüten. Legionellen und atypische Erreger finden sich seltener. In der Auswahl der Antibiotika gilt es, mögliche Interaktionen und die eventuell eingeschränkte Metabolisierung zu berücksichtigen. Ob die Beigabe von Steroiden einen Benefit bringt, lässt sich nach den vorliegenden Daten nicht sicher beurteilen. Dr. Michael S. Niederman von der Abteilung Pulmonary and Critical Care Medicine am New York Presbyterian/Weill Cornell Medical Center widmet sich kritisch einem anderen Problem: Resistente Mikroorganismen, die bei Hochbetagten vor allem in Langzeitpflegeheimen häufig auftreten, sprechen auf Antibiotika nicht unbedingt an. Gerade auf Intensivstationen können diese Keime aber andere Patienten befallen und sich so noch weiter ausbreiten. Provokant fragt er: Ist die Gabe solch hochwirksamer Substanzen bei sehr alten, sehr kranken, vielleicht schon sterbenden Menschen sinnvoll? Oder sollte der Pneumonie hier eher als Freund begegnet werden, der unnötiges, weiteres Leiden verhindert?

Quellen:
1. Cillóniz C et al. Eur Respir Rev 2020; 29: pii: 190126; DOI: 10.1183/16000617.0126-2019
2. Niederman MS. Eur Respir Rev 2020; 29: pii: 200031; DOI: 10.1183/16000617.0031-2020