Prävention von Darmkrebs besser ausschöpfen
Aus vermeintlich harmlosen Darmpolypen kann sich innerhalb von 10 bis 15 Jahren ein Dickdarmkrebs entwickeln. Je älter der Patient ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit dafür. Das Lebenszeitrisiko für das kolorektale Karzinom (KRK) beträgt hierzulande um die 6 %. Im Jahr 2014 erkrankten in Deutschland etwa 20 200 Männer und etwa 18 250 Frauen daran, knapp 8 600 bzw. 8 300 starben. Immerhin mehr als 60 % der Patienten leben fünf Jahre später noch, Tendenz steigend. Damit kommen Patienten in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut weg.
Bei Beschwerden ist der Krebs meist fortgeschritten
Dennoch bleibt ein Problem: „Es gibt keine eindeutigen Frühsymptome“, warnte Professor Dr. Dr. Wolfram G. Zoller vom Katharinenhospital, Klinikum Stuttgart. Wenn ihn jemand mit Beschwerden aufsucht, dann ist das Karzinom meist schon fortgeschritten, teilweise haben sich bereits Metastasen gebildet. In diesen Fällen sei in der Regel keine Heilung mehr möglich, betonte der Referent. Jedoch: „Ein Patient mit T1-Tumor hat die gleiche Überlebenswahrscheinlichkeit wie ein Gesunder“, erklärte der Internist.
Umso wichtiger ist daher die Primär- und Sekundärprävention. Vorrangig gilt es, die Erkrankung von vornherein zu verhindern. Von großer Bedeutung ist eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Ballaststoffen, Obst und Gemüse sowie wenig rotem Fleisch. Körperliche Bewegung von mindestens 15 Minuten pro Tag sollte ebenso zu den Gewohnheiten gehören wie ausreichend Schlaf – wer regelmäßig weniger als sechs Stunden schläft, verdoppelt sein Risiko für Darmpolypen. Diese Ratschläge gelten für jeden, denn kolorektaler Krebs tritt in 75 % der Fälle sporadisch auf. Doch keine der Maßnahmen schützt zuverlässig vor der Erkrankung, gab Prof. Zoller zu bedenken.
Das fördert den Darmkrebs
- familiäre Belastung:
- 2- bis 3-faches Risiko bei einem Verwandten 1. Grades mit kolorektalem Karzinom; 3- bis 4-fach, wenn der Verwandete jünger als 50 Jahre ist/war
- 3- bis 4-faches Risiko, wenn zwei Verwandte 1. Grades ein kolorektales Karzinom haben
- chronisch entzündliche Darmerkrankung (v.a. Colitis ulcerosa)
- Lynch-Syndrom
Verfechter der Koloskopie „wurden damals beschimpft“
Zur Sekundärprävention gehört die Früherkennung. Als „echte Karzinomprophylaxe“ betitelte der Experte die Koloskopie. Sie reduziert das Risiko wirkungsvoll – und schneidet deutlich besser ab als verschiedene Untersuchungen bei anderen Krebserkrankungen. Prof. Zoller gehörte zu den frühen Verfechtern der Vorsorgekoloskopie. „Wir wurden damals beschimpft“, erinnerte er sich. Denn zu jener Zeit gab es nur Erfahrungswerte und keine doppelblinden, randomisierten Studien. Die Gegner wetterten über das hohe Perforationsrisiko. Doch die Jahre gaben dem Stuttgarter recht. „Wir wissen nun: Das Risiko liegt für eine normale Koloskopie weit unter einem Prozent!“ Im Falle von schwierig abzutragenden Polypen steigt es mit dem Alter. Außerdem hängt es natürlich von der Erfahrung des Behandlers ab. Trotzdem beträgt es auch in schwierigen Fällen nur 2 bis 2,5 %, weiß Prof. Zoller. Er legte seinen Kollegen ans Herz, grundsätzlich den Bauch des koloskopierten Patienten zu untersuchen, bevor er nach Hause darf. Alles andere sei fahrlässig.Ab dem 80. Lebensjahr individuell entscheiden
Ab dem 55. Lebensjahr sollte man laut dem Experten und der Leitlinie über Darmspiegelung und Lebensstil aufklären und die Vorsorgeuntersuchung anbieten. Bei einem unauffälligen Befund erfolgt sie alle zehn Jahre, ab dem 80. Lebensjahr gilt es, individuell zu entscheiden. Für Menschen mit familiärer Belastung eignet sich die Maßnahme vermutlich bereits früher. Eine Untersuchung für 50- bis 55-Jährige oder für Personen, die eine Koloskopie ablehnen, ist der regelmäßige Test auf okkultes Blut im Stuhl. Nur etwa die Hälfte aller 55- bis 74-Jährigen wurde zwischen 2003 und 2013 vorsorglich koloskopiert. Innerhalb dieser ca. 4,4 Millionen Untersuchungen waren 71,3 % der Befunde unauffällig, bei 0,9 % kamen Karzinome zum Vorschein, beim Rest (potenzielle) Krebsvorläufer. „Durch die Untersuchungen konnten 180 000 Adenome entdeckt und entfernt sowie 40 000 Karzinome in einem frühen Stadium diagnostiziert werden“, fasste der Gastroenterologe zusammen. Zugleich betonte er die Bedeutung für die spezifische Mortalitätsrate, die sich in diesem Zeitraum für Frauen um 26,5 % und für Männer um 20,8 % reduziert hat. Zusätzlich zur Prävention forderte Prof. Zoller eine optimierte Nachsorge, um die Zahl an Rezidiven und Zweittumoren zu verringern.Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin