Suizidprävention
Psychische Erkrankungen bei Freitod nur ein Faktor unter vielen
Wenn sich der Großteil der Suizide tatsächlich auf eine psychiatrische Diagnose zurückführen ließe, wäre die konsequente Erkennung und Behandlung psychischer Erkrankungen die beste Suizidprävention, schreiben Prof. Dr. Peter Brieger vom kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Haar und Kollegen. Allerdings gibt es auch Selbsttötungen, die auf Basis einer freien Willensentscheidung nach reiflicher Überlegung, z.B. bei schwerer Erkrankung oder sonstiger großer Not, vollzogen werden – also ohne psychische Grunderkrankung. Zudem ist es zu kurz gedacht, aus der Tatsache, dass es bei Menschen mit einer bekannten psychischen Erkrankung zu einer Einengung des Denkens hin zum Suizid kommen kann, darauf zu schließen, dass die psychische Erkrankung ursächlich für die Suizidalität sein muss, schreiben die Autoren.
Suizidrisiko bis zu 50-fach erhöht
Unbestritten ist, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ein 10- bis 50-fach höheres Suizidrisiko haben als die Allgemeinbevölkerung. Nicht vergessen werden dürfe dabei aber, dass sich 90–95 % dieser Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen einschließlich Depressionen nicht das Leben nehmen, so die Autoren.
Neuere Analysen aus den USA und Italien deuten darauf hin, dass bei höchstens 50 % der Menschen, die sich das Leben nahmen, tatsächlich eine psychiatrische Diagnose vorlag. Ursache bei den anderen 50 % ist häufig eine „tiefe Unzufriedenheit“, die auf anderen Faktoren wie Beziehungsproblemen, Substanzmissbrauch, schweren körperlichen Erkrankungen, akuten Krisen im Beruf, finanziellen Nöten oder juristischen Problemen beruht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Autoren in einer eigenen Auswertung von 626 Suizidfällen aus dem Allgäu.
Aktuelle Zahlen aus Deutschland
Quelle: Schelhase T. Bundesgesundheitsbl 2022; 65: 3-10; DOI: 10.1007/s00103-021-03470-2
Quelle: Brieger P et al. Bundesgesundheitsbl 2022; 65: 25-29; DOI: 10.1007/s00103-021-03464-0
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