Pulmonale Tularämie wird oft für Krebs gehalten
Die von dem Bakterium Francisella tularensis hervorgerufene Tularämie ist eine seltene Zoonose. Übertragen wird sie durch Nagetiere bzw. deren Ausscheidungen sowie stechende Insekten. Norwegischen Kollegen fiel im Jahr 2016 auf, dass sich Fälle der pulmonalen Hasenpest häuften, was sie zu einer Analyse veranlasste. Darin bezogen sie 22 Patienten einer Klinik ein. Alle hatten sich mit Fieber vorgestellt, 19 berichteten dazu über Husten, Brustschmerzen oder Dyspnoe.
Das CRP war bei allen erhöht, die Lungendiagnostik mit CT sowie teilweise PET und Bronchoskopie ergab bei 19 Betroffenen pulmonale Läsionen, das CT von 17 wurde von den Radiologen als lungenkrebsverdächtig eingestuft. Erst nach medianen 17,5 Tagen erhielten die Kranken die endgültige Diagnose der pulmonalen Hasenpest.
Die Anamnese war bei den meisten auffällig
Das finden die Autoren inakzeptabel. Zwar sei die Tularämie der Lunge selten, sollte aber als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden – vor allem wenn zusätzlich Zeichen einer akuten Infektion und erhöhte CRP-Werte vorliegen. Der Blick in die Krankenakten zeigte, dass es anamnestisch zusätzliche Warnsignale gab. Alle Teilnehmer lebten in ländlichen Gegenden oder hatten diese kürzlich besucht, 18 von ihnen konnten sich an Aktivitäten wie Holzhacken, Gartenhausrenovieren, Gärtnern und andere Outdooraktivitäten kurz vor der Infektion erinnern.
Antikörpertests fallen zu Beginn negativ aus
Dass die Patienten so schnell die Verdachtsdiagnose Lungenkrebs erhielten, liegt wohl aber auch an den in Norwegen seit 2014 existierenden Fast-Track-Programmen u.a. zur Krebsfrüherkennung, die eine rasche Abklärung von verdächtigen Befunden fordern, relativieren die Autoren ihre Kritik. Entlastend sei auch erwähnt, dass das Immunsystem bei der Tularämie häufig erst nach zwei bis vier Wochen spezifische Antikörper bildet. So war in der vorliegenden Sammlung in fünf Fällen der erste Tularämie-Antikörpertest negativ.
Schwerwiegende Folgen blieben den Patienten erspart, die Hälfte von ihnen befand sich bei endgültiger Diagnosestellung bereits wieder in spontaner Remission. Wie sich die Zeit der diagnostischen Unsicherheit allerdings auf die Psyche der Betroffenen ausgewirkt hat, ist nicht überliefert.
Quelle: Kravdal A et al. ERJ Open Res 2020; 6: 00093-2019; DOI 10.1183/23120541.00093-2019