Natriumhomöostase Salz in die Niere gestreut

Autor: Dr. Andrea Wülker

Bei geringer Kaliumzufuhr wird die NaCl-Reabsorption in den Nierentubuli durch den Natriumchlorid-Kotransporter stimuliert Bei geringer Kaliumzufuhr wird die NaCl-Reabsorption in den Nierentubuli durch den Natriumchlorid-Kotransporter stimuliert © iStock/peterschreiber.media

Die Nieren gelten gemeinhin als Hauptakteure, wenn es darum geht, die Natrium- Homöostase im Körper aufrechtzuerhalten. Doch neuere Studien zeigen, dass noch weitere Mechanismen regulierend in den Salzhaushalt eingreifen.

Neues zur Regulation der Natriumhomöostase

Die Aufnahme von Salz, meist in Form von Natriumchlorid, schwankt stark von Tag zu Tag. Dennoch ist der Organismus in der Lage, durch eine Feinregulierung der Salzausscheidung die Homöostase zu erhalten. Durch Anpassung der Natriumausscheidung an die Salzzufuhr verhindern die Nieren Entgleisungen des Elektrolythaushalts, des Blutdrucks und des extrazellulären Flüssigkeits volumens.

Das effektive zirkulierende Volumen (ECV), also das arterielle Blutvolumen, das Gewebe effektiv perfundiert, korreliert direkt mit der Natriumzufuhr. Schon kleine Veränderungen des ECV führen zu Anpassungen in den Nieren, sodass sie die Natriumausscheidung entsprechend regulieren. Hierbei spielt das Renin-Angiotensin-II-Aldosteron-System eine wichtige Rolle, und viele therapeutische Interventionen setzen an genau dieser Stelle an. Allerdings weisen neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass dieses traditionelle Konzept wohl zu kurz greift und verschiedene andere Mechanismen das Gleichgewicht mit regulieren, schreiben Dr. David Ellisonvon der Oregon Health and Science University, Portland, und Dr. Paul Welling von der Johns Hopkins Universität, Baltimore.

Nicht bei allen Menschen führt viel Salz zu einem RR-Anstieg

Bereits in den 1950er-Jahren beobachtete man, dass Personen mit hohem Kochsalzkonsum höhere arterielle Blutdruckwerte aufweisen. Interventionelle Studien bestätigten den Zusammenhang. Andererseits können manche Menschen große Mengen an Salz verzehren, ohne dass ihr Blutdruck wesentlich ansteigt.

Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2020 verglich eine Kochsalzrestriktion mit einer hohen Zufuhr: Bei Normotensiven sank der mittlere arterielle Druck unter einer Begrenzung um 0,4 mmHg, bei Hypertonikern um 4 mmHg. Da sich aber die Effekte der Salzaufnahme auf den Blutdruck individuell so stark unterscheiden, werden Ernährungsempfehlungen kontrovers diskutiert. Häufig fanden sich auch Assoziationen zwischen einem sehr geringen Salzkonsum und einer Übersterblichkeit, jedoch könnten dabei nach Ansicht der Autoren statistische Störfaktoren vorliegen.

Die Kollegen weisen darauf hin, dass das Verhältnis von Natrium- zu Kaliumzufuhr besondere Bedeutung hat. In einer kürzlich publizierten, groß angelegten Studie erhielten die Teilnehmer herkömmliches Kochsalz (100 % NaCl) oder eine Mischung aus 75 % NaCl und 25 % Kaliumchlorid. Probanden, die das kaliumhaltige Produkt bekamen, hatten nicht nur niedrigere Blutdruckwerte, sondern sie erlitten auch seltener Schlaganfälle sowie schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse und ihre Gesamtmortalität war niedriger.

Es gibt unterschiedliche Definitionen der Salzsensitivität – als nützlich bewerten die Autoren die Differenz des durchschnittlichen arteriellen Blutdrucks von 3 10 mmHg nach Änderung der Salz-Balance durch eine Kombination aus Ernährung und Schleifendiuretika.

Kaliumzufuhr über Nahrung beeinflusst Sensitivität

Verschiedene Ernährungsfaktoren können eine Salzsensitivität beeinflussen. Bei geringer Kaliumzufuhr wird die NaCl-Reabsorption in den Nierentubuli durch den Natriumchlorid-Kotransporter stimuliert, um die Kaliumsekretion am aldosteronsensitiven distalen Nephron zu drosseln. Wird dagegen über die Nahrung viel Kalium zugeführt, nimmt die NaCl-Absorption im distalen Tubulus ab, was die Kaliumsekretion im aldosteronsensitiven Segment erleichtert.

Wahrscheinlich spielt das Darmmikrobiom eine Rolle

Eine ballaststoffreiche Ernährung soll den Blutdruck senken und die Salzsensitivität beeinflussen, wobei wahrscheinlich das Darmmikrobiom eine Rolle spielt. Kommensale Darmbakterien fermentieren Ballaststoffe und produzieren kurzkettige Fettsäuren, die wiederum bestimmte Rezeptoren in Herz, Gefäßen, Nieren sowie Immunzellen aktivieren. Dies stimuliert unter anderem antiinflammatorische regulatorische T-Zellen (Treg), die ihrerseits Entzündungsvorgänge eindämmen und auf diese Weise die Entwicklung von Hypertonie und Endorganschäden reduzieren können. Ein hoher Natriumkonsum verändert das Mikrobiom und verursacht einen Untergang von Laktobazillen. Das führt zur Aktivierung von T-Helferzellen vom Typ Th17 und induziert eine salzsensitive Hypertonie.

Quelle: Ellison DH, Welling P.NEnglJMed 2021; 385: 1981-1993; DOI: 10.1056/NEJMra2030212