Kosmetika Schadstoffmix oder Schönheitspflege?
Die Gesamtinzidenz der Kontaktdermatitis durch topische Produkte ist schwer abzuschätzen, da leichte Symptome oft gar nicht gemeldet werden, schreiben Dr. Sean Mangion von der Universität Sydney und Kollegen. Berichte über Nebenwirkungen von Kosmetika konzentrieren sich hauptsächlich auf die allergische Kontaktdermatitis. Die irritativ-toxische Dermatitis macht jedoch ungefähr 80 % der Kontaktdermatitis-Fälle aus – die Dunkelziffer liegt eher höher, schätzen die Autoren. Für eine exakte Diagnose ist eine Testung nötig, um zwischen allergischer oder irritativ-toxischer Genese unterscheiden zu können.
Allergische Kontaktdermatitis (ACD)
Kennzeichen der ACD ist ein verzögertes Auftreten nach der Exposition. Die Erkrankung beginnt mit der Sensibilisierungsphase und geht dann bei erneuter Exposition in die Auslösephase über, die die Entzündungsreaktion anstößt. Um die Diagnose zu stellen, ist ein Epikutantest erforderlich. Allerdings geben die Autoren zu bedenken, dass näherungsweise 2.800 Allergene existieren, sodass ein negatives Testergebnis eine allergische Kontaktdermatitis nicht ausschließt. Häufige Allergene, die getestet werden, sind Duftstoff-Mix, Quarternium-15, p-Phenylendiamin, Lanolin, Diazolidinyl-Harnstoff und Zimtaldehyd. Auch Heilsalben auf Pflanzenbasis können Allergien auslösen. Da sie häufig aus komplexen Mixturen bestehen, könnte ein Patch-Test mit dem benutzten Produkt sinnvoll sein.
Photoallergische Dermatitis
Bei der photoallergischen Dermatitis kommt es nach vorheriger Sensibilisierung durch Lichtexposition zu einer allergischen Reaktion. Ähnlich wie bei der ACD gibt es eine Sensibilisierungs- und eine Auslösephase.
Empfindliche Haut (Sensitive Skin Syndrome, SSS)
Bis zu 71 % der Erwachsenen leiden unter empfindlicher Haut, manchmal auch als Folge einer anderen Hauterkrankung. Dimethylsulfoxid, Benzoylperoxid, Salizylsäure und Propylenglykol sind häufige Auslöser. Im Unterschied zur allergischen Reaktion berichten Betroffene oft nur über Juckreiz oder Stechen, ohne dass eine Hautreaktion sichtbar wird.
Cosmetic Intolerance Syndrome (CIS) oder Status cosmeticus
Bei diesem Syndrom werden gar keine Pflegeprodukte auf der Haut toleriert. Eingeschränkte Nutzung von Kosmetika kann die Symptome bessern – ein Unterscheidungsmerkmal zum SSS.
In der Diagnostik eignen sich neben einer genauen Anamnese zu Muster und Verlauf der Symptome vor allem Epikutantests. Die empfohlene Reihenfolge besteht aus offener, okklusiver und invasiver Applikation (Prick-, Scratch- oder Intradermaltest). Vermutet man ein SSS, kann die Applikation von 10%iger Milchsäure im Bereich einer Nasolabialfalte helfen. Reagiert die Haut auch zwei Wochen nach Absetzen von Kosmetika noch darauf, ist ein SSS wahrscheinlich, ansonsten eher ein CIS. Die Grundpfeiler der Behandlung bilden:
- Prävention: Vermeidung der irritierenden oder sensibilisierenden Substanz
- Symptombehandlung (z.B. mit Kortikosteroiden oder Antihistaminika)
- Einsatz eines alternativen Produkts
Hinweise auf das hautschädigende und sensibilisierende Potential von Kosmetika werden von der Industrie oft unter Verschluss gehalten. Neue Informationen stammen meist von den regulatorisch tätigen Behörden. Auch wenn die Transparenz in den letzten 20 Jahren zugenommen hat, plädieren die Autoren für mehr Veröffentlichungen von schädigenden Inhaltsstoffen oder Interaktionen.
Mit dem Verbot von Kosmetika-Testungen an Tieren kamen In-vitro-Testverfahren auf den Markt. Sie sprechen beispielsweise auf Entzündungsmediatoren an und reagieren mit einem Farbumschlag. Diese Verfahren bilden aber bisher bei Weitem nicht die Komplexität der menschlichen Haut ab. Zudem scheint kein System für eine gleichzeitige Exposition mehrerer Substanzen geeignet zu sein. Denn bei Anwendung mehrerer Produkte verändert sich die Aufnahme der Inhaltsstoffe in den unterschiedlichen Hautschichten.
Die Interaktionen der Produkte untereinander und mit der Haut müssten individuell untersucht werden. Computersimulationen für die Entstehung von Hautschäden kommen schon heute zum Einsatz. Der Pferdefuß dabei: ihre schlechte Genauigkeit. Derzeit wird eine schädigende Substanz nur in ca. 48 % der Fälle identifiziert. Datenbankstrukturen und Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz und Mustererkennung werden die Anwendungsmöglichkeiten sukzessive erweitern, prognostizieren die Autoren.
Quelle: Mangion SE et al. JEADV Clin Pract 2023: 1-16; DOI: 10.1002/jvc2.293