Facettensyndrom Schmerzmittel dämpfen die Symptome oft nur vorübergehend
Typisch für das Facettensyndrom sind die tiefsitzenden Kreuzschmerzen. Ausgelöst werden sie in aller Regel durch degenerative Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken der unteren Wirbelsäule, erläutert Dr. Heinrich Binsfeld, Facharzt für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie aus Drensteinfurt. Infolge des Verschleißes der kleinen Wirbelgelenke kann es zu Vernarbungen mit Zug an den Nervenwurzeln kommen, zur Hypertrophie mit Spinalkanalstenosen, zu Instabilität und Blockaden sowie zu Entzündungen.
Gefühl, als würde der Rücken durchbrechen
Die Beschwerden treten vor allem nach längerem Gehen oder Stehen auf, in Anteflexion klingen sie ab. Sind die oberen lumbalen Gelenke betroffen, zieht der Schmerz in Leiste, Hüfte und laterale Oberschenkel. Besteht die Wirbelgelenkarthrose weiter kaudal, strahlt der Schmerz mitunter bis in die Wade aus. Viele Patienten berichten von morgendlichem Anlaufschmerz und bei manchen entsteht ein Gefühl des „Durchbrechens“ im Rückenbereich. Die Facettenhypertrophie kann auch zu Nervenwurzelirritationen und einer Spinalkanalstenose führen.
Schmerzen haben immer ein Korrelat
In Deutschland werden zwischen 85 und 90 % der Kreuzschmerzen als unspezifisch eingestuft. Für ihn als naturwissenschaftlich orientierten Schmerzmediziner ist diese Zahl nicht hinnehmbar, macht Dr. Binsfeld deutlich. Schließlich handele es sich beim Rücken um eine anatomische Struktur und beim Schmerz um ein Symptom, das offenkundig nicht ohne Grund bestehe. Folgerichtig werde das Facettensyndrom in der S2k-Leitlinie zum spezifischen Kreuzschmerz klar als Schmerzauslöser genannt, das zumeist den Bereich der Lendenwirbelsäule betrifft.
Die typischen Beschwerden einer rechtsseitigen Facettengelenkarthrose lassen sich provozieren, indem man den Patienten im Stand eine Seitneigung der Wirbelsäule nach rechts mit Rotation nach links durchführen lässt. Neigung nach rechts mit Rotation nach rechts hingegen deckt eine Enge des rechtsseitigen Neuroforamens auf, erläutert Dr. Binsfeld. Das Palpieren der Dornfortsätze und der Facettengelenke mit posterior-anteriorem Druck können den Verdacht auf die Erkrankung weiter erhärten.
Bei der Untersuchung der Facettenerkrankungen, die auch unter dem Begriff Spondylarthrose zusammengefasst werden, hat die Computertomografie einen besonderen Stellenwert. Laut Dr. Binsfeld kann es allerdings bisweilen schwierig sein, die pathologischen Veränderungen auf dem Bild widerspruchslos mit den klinischen Beschwerden in Einklang zu bringen. Ergänzend können Knorpel, Weichteile, Bandscheibenvorfälle und die Größe des Gelenkspalts in der Magnetresonanztomografie beurteilt werden. Gibt man Kontrastmittel, zeigen sich zudem entzündliche Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken.
Chronische Schmerzen schlagen auf die Psyche. Reaktive Depressionen und die überhöhte Aufmerksamkeit dem eigenen Körper gegenüber können konservative orthopädische Therapieversuche scheitern lassen, beschreibt der Schmerzmediziner. Die Behandlung sollte daher stets einem ganzheitlichen Konzept folgen.
Bewegung und Kräftigung – etwa im Rahmen von Physiotherapie – bilden die Grundlage der Behandlung. Mit Analgetika lassen sich die Schmerzen in aller Regel auf ein für den Patienten erträgliches Maß bringen. In einem nächsten Schritt wird das Facettengelenk zielgenau mit der CT aufgesucht, um Kortikosteroide und Lokalanästhetika zu applizieren.
Setzen die Beschwerden einige Tage oder Wochen nach der Intervention wieder ein, kommt eine Radiofrequenzablation der beteiligten lokalen Nerven infrage. Als Ultima Ratio bleibt die Spondylodese mit der operativen Versteifung der betroffenen Wirbelkörpersegmente.
Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2023; 39: 33-36; DOI: 10.1007/s00940-022-4084-y