Vegane Ersatzprodukte Schöne neue Kochkunst
Das Ei der Zukunft wird frei von Cholesterin und Allergenen sein – und es wird ganz ohne Huhn auskommen. Dabei sieht das Produkt, mit dem ein Berliner Start-up schon in den nächsten Monaten auf den Markt kommen will, wie ein ganz normales rohes Ei aus: flüssiges Eiklar, darin das gelbe Dotter, drum herum die schützende Schale.
Komplexe Mischung pflanzlicher Inhaltsstoffe
Doch anders als beim natürlichen Vorbild wird Bettr Egg, wie die Erfinder ihr artifizielles Ei nennen, im Wesentlichen aus einem exakt definierten Gemenge aus Pflanzenproteinen und Hydrokolloiden bestehen. Die bilden im Falle des Eiklars ein durchsichtiges Gel, das sich beim Kochen oder Erhitzen – ganz so, wie es sich gehört – verfestigt und weiß wird. Auch das Eigelb ist im Wesentlichen aus den Bestandteilen von Algen, Erbsen, Ackerbohnen und Süßkartoffeln komponiert, ergänzt um Omega-3-Fettsäuren und Kalzium. Ein komplexes Wechselspiel lässt diese Mixtur zum kugelförmigen Dotter samt Dotterhaut und gelber Farbe werden. Für den gewohnten Geschmack soll Kala Namak sorgen, ein schwarzes Salz mit feiner Schwefelnote.
An der Eierschale tüfteln die Wissenschaftler noch. Ziel ist eine Hülle, die sich im industriellen Maßstab herstellen lässt und die sich ebenso anfühlt und ebenso zerbrechlich ist wie das von Mutter Natur erfundene Kalkgehäuse. Möglich machen soll das ein eigens entwickelter thermoplastischer Kunststoff, der über einen bakteriellen Fermentationsprozess hergestellt wird, sowie ein spezielles Spritzgussverfahren. Für die sprichwörtliche Zerbrechlichkeit soll beigemischtes Kalziumkarbonat sorgen. Bis Ende 2023, so der Plan, soll das vegane Ei mit vollkompostierbarer Bioplastikschale im Supermarkt zu haben sein.
Veganes Rührei für Bäckereien & Co.
Bis es so weit ist, wollen die Jungunternehmer ihre Entwicklung als flüssiges Rührei in Beutel und Container abfüllen und an Bäckereien, Nahrungsmittelindustrie und die Gastronomie verkaufen.
Eine Arbeitsgruppe am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV hat sich ein weiteres originär tierisches Produkt vorgenommen, um davon eine vollwertige vegane Variante zu erschaffen: den Käse. Bislang bestehen die pflanzenbasierten Ersatzprodukte aus eher simplen Fett-Stärke-Gemischen, die kaum von ernährungsphysiologischem Wert sind. Allzu oft bildet das problematische Palmfett die Basis dieser Erzeugnisse, sie sind arm an Proteinen, und für den typisch käsigen Geschmack sorgen deklarierungspflichtige Zusätze und Aromastoffe, deren Auflistung bei Verbrauchern und Verbraucherinnen eher Abscheu als Appetit auslöst.
Bier mit Gischtkrone
Algen gelten als „Superfood“ mit wertvollen Inhaltsstoffen: Sie sind protein-, ballast- und mineralstoffreich. Die Pflanzen werden im Meer gesammelt oder angebaut, sie brauchen kein Ackerland, keinen Dünger und keine zusätzliche Energie. Statt wie bisher als Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform könnte man Algen demnächst trinken – als Zutat im Bier. Mitarbeiter des Fraunhofer-Entwicklungszentrums für Marine und Zelluläre Biotechnologie EMB haben ein Herstellungsverfahren für den algenhaltigen Gerstensaft entwickelt, das sich ohne nennenswerten Aufwand in jeder Standardbrauerei etablieren lässt. Daneben haben die Tüftler bereits Rezepte für Algenlimonaden, Algenpesto und Algeneis in der Schublade.
Derzeit arbeiten die Fraunhofer-Forscher an einem Schnittkäse aus Erbsenprotein, der über einen Fermentationsprozess hergestellt wird, ähnlich wie er bei der Verkäsung von Kuhmilch abläuft. Wie auch beim Reifen der Milchkäse entstehen beim Fermentieren der Erbsenmasse vielfältige Aromen, sodass die Herstellung weitgehend ohne Zusatzstoffe auskommt. Auch beim veganen Käse steht der Prototyp. Die Markteinführung dürfte aber frühestens in ein bis zwei Jahren erfolgen, heißt es vonseiten des Fraunhofer IVV.
Fisch gehört zu einer gesunden Ernährung dazu und angesichts der wachsenden Erdbevölkerung sind immer mehr Menschen auf Fischfleisch als Proteinquelle angewiesen. Die Meere sind jedoch mit Mikroplastik und Schwermetallen belastet, die mit dem Tier auf die Teller und in die Menschen gelangen. Viele Fanggründe gelten zudem als überfischt, die Bestände beliebter Speisefische sind gefährdet.
Um der Überfischung und dem Mangel an unbelastetem Fisch zu begegnen, hat das Unternehmen Bluu Seafood verschiedene Verfahren entwickelt, mit dem sich Fischfleisch auf speziellen Gerüststrukturen im Bioreaktor züchten lässt. Als Erstes sollen eher einfache Produkte wie Fischbällchen, Fischstäbchen oder Fischtartar aus den gezüchteten Zellen und pflanzlichen Proteinen produziert werden. Damit will man zunächst Restaurants beliefern, später soll das künstliche Fischfleisch auch in die Supermarktregale kommen. Langfristig möchten die Tüftler sogar hochwertiges Fischfilet in ihren Bioreaktoren erzeugen.
Quelle: van Ackeren J. Fraunhofer-Magazin 1/2022: 11-19