Schulterluxation: Reposition und weitere Behandlungsschritte
Die Schulterluxation trifft vor allem junge Männer und ältere Damen. Die einen kugeln sich das Gelenk beim Sport aus, die anderen stürzen zu Hause auf den ausgestreckten Arm. Das sind allerdings nur die häufigsten Mechanismen, im Prinzip kann jedes Schultertrauma die schmerzhafte Dislokation auslösen, betonen Lukas Verweij vom Department of Orthopaedic Surgery der Universitätsklinik Amsterdam und seine Kollegen.
Mit einem Anteil von mehr als 95 % dominiert die anteriore Dislokation. In der Untersuchung fällt eine asymmetrische Schulterkontur mit prominentem Akromion und anteroinferior tastbarem Humeruskopf auf. Verdachtsdiagnose, Richtung der Dislokation und Begleitfrakturen der Tuberositas major lassen sich im Röntgenbild sichern (anterior-posteriore und skapulare Aufnahme).
Kapillarfüllungszeit und Radialispuls messen
Zu den Risikofaktoren für einen Knochenbruch zählen Alter > 40 Jahre, erste Luxation und Hochenergietrauma (z.B. Sturz aus großer Höhe). Eine weitere Komplikation, die Ruptur der Rotatorenmanschette, lässt sich klinisch manchmal schwer diagnostizieren. Verdächtig sind persistierende Schmerzen und bleibende funktionelle Einschränkungen trotz Physiotherapie.
Zum Ausschluss luxationsbedingter Gefäßläsionen empfehlen die Autoren, Radialispuls und Kapillarfüllungszeit zu messen. Neurologische Schäden – gehäuft bei Älteren, Begleitfrakturen und Hämatomen zu beobachten – eruiert man mit drei Fingerbewegungen: Strecken (N. radialis), Spreizen (N. ulnaris) und Daumen opponieren (N. medianus). Für eine Verletzung des N. axillaris spricht die Kombination von Schulterschmerz, Sensibilitätsverlust an der lateralen Seite des Oberarms und eine Schwäche des M. deltoideus (Abduktion). Bei den meisten Patienten erholen sich Kraft und Sinneswahrnehmung innerhalb eines Jahres, teilweise bleibt eine leichte Einschränkung der Schulterbeweglichkeit zurück.
Fälle für den Spezialisten
- Verdacht auf neurovaskuläre Schäden
- Fraktur der Tuberositas major
- Sportler und andere aktive Patienten
- rezidivierende Luxationen trotz Physiotherapie
- Patienten mit primärer Luxation, die eine Operation erwägen
- über 40-Jährige mit anhaltenden Schmerzen und dauerhaft eingeschränkter Funktion (V.a. Ruptur
Nutzen einer Operation bei Älteren unklar
Allerdings liegen bisher nur wenige Daten zu Nutzen und Risiken des chirurgischen Vorgehens bei Älteren vor. Außerdem weiß man nicht, ob die Operation die Gefahr einer Postluxationsarthrose stärker reduziert als eine Physiotherapie. Die Autoren plädieren deshalb dafür, die Entscheidung für die eine oder andere Strategie immer gemeinsam mit dem Patienten zu treffen und wenn möglich seine Vorlieben zu berücksichtigen.Quelle: Verweij LPE et al. BMJ 2020; 371: m4485; DOI: 101136/bmj.m4485