Schwache Herzinsuffizienz-Studien: Patienten mit milden Beschwerden erhalten womöglich eine ungeeignete Therapie
An Beweisen für die Wirksamkeit von Betablockern, ACE-Inhibitoren, Angiotensin-II-Rezeptoren und Aldosteronantagonisten in der Herzinsuffizienz-Behandlung ist kein Mangel. Mehrere große Studien, schreiben Kardiologen um Dr. Nicholas Gollop von der Uniklinik Norwich und Kollegen, hätten belegt, dass die Medikamente die Mortalitäts- und teilweise die Morbiditäts- bzw. die Hospitalisierungsrate bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion verringern.
Deshalb werde die Gabe von ACE-Inhibitoren und Betablockern in den Leitlinien laut den Autoren auch allen empfohlen – unabhängig vom Krankheitsstadium. Aber spiegeln die in den Studien untersuchten Teilnehmer tatsächlich die Patienten wider, mit denen Kollegen in ihrer Praxis täglich zu tun haben? Schon vor vier Jahren äußerten britische Forscher darüber ihre Zweifel.
Nun haben sich die Wissenschaftler um Dr. Gollop gründlich angeschaut, welche Erkrankungsstadien bislang eigentlich untersucht wurden. Dreißig RCTs erfüllten die Ansprüche ihrer Überprüfung, mit mehr als 43 000 Probanden. Das Ergebnis: Während im Praxisalltag 83 % der Betroffenen in einem frühen Stadium behandelt werden, waren NYHA*-I-Patienten in den Studien gar nicht und NYHA-II-Kranke nur in rund jedem fünften Fall abgebildet.
Eigenschaften wie Medikamenteneinnahme, Zigarettenkonsum und familiäre Vorbelastung deckten sich in weniger als 30 % der Fälle mit der Realität. „Unser Review konnte zeigen, dass die untersuchten Studien nicht repräsentativ sind für die Patienten, mit denen es Hausärzte üblicherweise zu tun haben“, schreiben die Autoren. Menschen mit fortgeschrittenen Krankheitsstadien seien in ihnen zweifellos überrepräsentiert. Schließlich befinden sich, so ein weiteres Ergebnis der Analyse, mehr als 80 % der Kranken, die einen Hausarzt aufsuchen, in den NYHA-Stadien I und II.
„Dieses Ergebnis ist wichtig, weil es Belege dafür gibt, dass Betablocker, ACE-Inhibitoren und Aldosteronantagonisten gerade bei diesen Menschen weniger effektiv wirken“, so die Forscher weiter. Außerdem könnte die Medikation die Morbidität signifikat erhöhen und es bestünde das Risiko für Nebenwirkungen und für eine Überbehandlung.
Alle Stadien gehen mit einer erhöhten Mortalität einher
Kollegen sollten deshalb die Vorteile der Arzneimittel bei Herzinsuffizienten mit keinen oder milden Symptomen besonders gründlich gegen die potenziellen Nachteile abwägen. „Das Risiko ist signifikant, obwohl alle Stadien einer Herzinsuffizienz mit einer erhöhten Mortalitäts- und Morbiditätsrate einhergehen.“
Quelle: Gollop ND et al. BJGP Open 2018; online first