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Osteoporose Schwangerschaft als Rückenbrecher

Autor: Dr. Melanie Söchtig/Stephanie Käufl

Osteoporotische Wirbelkörperveränderungen wie diese kennt man zumeist nur von älteren Menschen. Bei der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose treffen sie aber auch junge Frauen. Osteoporotische Wirbelkörperveränderungen wie diese kennt man zumeist nur von älteren Menschen. Bei der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose treffen sie aber auch junge Frauen. © Science Photo Library / MEDICAL PHOTO NHS LOTHIAN; BazziBa – stock.adobe.com
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Immer stärker werdende Rückenschmerzen machten es einer jungen Mutter unmöglich, sich um ihren zwölf Wochen alten Säugling zu kümmern. Ihr Gynäkologe tippte auf Muskelverspannungen. Doch die MRT brachte eine weit dramatischere Ursache ans Licht.

Zwölf Wochen nach der Entbindung stellte sich eine 37-Jährige aufgrund schwerer thorakolumbaler Schmerzen in der Notfall­ambulanz vor, berichten Dr. ­Jessica ­Schwaller vom Departement für Innere Medizin am HFR Freiburg – Kantonsspital und ihre Kollegen. Die Patientin hatte keine bekannten Vorerkrankungen, war normalgewichtig und rauchte nicht. Auch die Geburt war komplikationslos verlaufen.

Keinerlei systemische oder neurologische Symptome

Die Schmerzen hatten ohne erkennbaren Auslöser im letzten Trimenon ihrer Schwangerschaft begonnen und sich peri- und postnatal gesteigert. Zum Zeitpunkt der Vorstellung war die Patientin bettlägerig, sodass sie sich nicht mehr angemessen um ihr Kind kümmern konnte. Sie litt weder unter systemischen noch unter neurologischen Symptomen.

Die klinische Untersuchung ­er­gab eine deformierte Wirbelsäule im Sinne einer thorakalen Hyper­kyphose von 50°. Im Bereich des thorakolumbalen Übergangs verspürte die Patientin einen diffusen Perkussions- und Druckschmerz und ihre thorakolumbale Mobilität war in allen Ebenen eingeschränkt. Fokal-neurologische Ausfallsymptome zeigten sich nicht.

Das sind die wichtigsten Risikofaktoren

  • Kalzium- und Vitamin-D-Mangel sowie Übergewicht und Immobilität in der Schwangerschaft
  • Genmutationen, die mit einem erniedrigten Knochenumsatz einhergehen
  • Bewegungsmangel im Kindesalter
  • langfristig niedriges Körpergewicht
  • Alkohol- und Tabakmissbrauch
  • langfristige Glukokortikoideinnahme

Die Ergebnisse einer ersten Standard-Laboruntersuchung waren unauffällig. Nicht so Magnetresonanztomografie und Radiologie: Sie offenbarten multiple unterschiedlich alte Kompres­sionsfrakturen der Wirbelkörper T10, T11, L1, L3, L4 und L5. Die Osteodensitometrie zeigte eine für das Alter der Patientin erniedrigte Knochendichte am Oberschenkelhals links (Z-Wert: -2,3 SD) und am distalen Radius links (Z-Wert: -2,7 SD). In weiterführenden Laboruntersuchungen fanden sich eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase sowie der Knochenstoffwechselparameter. Sekundäre Osteoporoseursachen konnten die Kollegen ausschließen, weshalb sie die Diagnose einer schwangerschafts- und laktationsassoziierten Osteoporose (pregnancy and lactation-associated osteoporosis; PLO) stellten.

Neben einer analgetischen und physiotherapeutischen Behandlung erhielt die Patientin Cholecalciferol, Kalzium und Teriparatid. Aufgrund der schweren Deformität rieten die Kollegen zu einer Kyphoplastie inklusive Spondylodese. Dies und eine stationäre Reha wurden allerdings von der Patientin abgelehnt.

Nach zwei Wochen konnte die Frau in schmerzkompensiertem Zustand aus dem Krankenhaus entlassen werden. Unter der anschließenden medikamentösen und physio­therapeutischen Behandlung kam es bisher zu keiner weiteren Fraktur. Die schwere Kyphose blieb unverändert, die Patientin trägt auf eigenen Wunsch ein Korsett und nutzt einen Rollator. Operative Aufrichtung und Korrektur der Fehlstellung kommen für sie weiterhin nicht infrage.

Beschwerden meist gegen Ende der Schwangerschaft

Die schwangerschafts- und laktationsassoziierte Osteoporose  ist eine seltene, aber schwere Erkrankung. Sie kann sich insbesondere während des dritten Trimenons und in den ersten postpartalen Monaten in Form von Wirbelkörperfrakturen äußern. Die Ursache ist unbekannt, es wird ein Zusammenspiel von schwangerschaftsbedingt erhöhtem Kalziumbedarf, hormonellen Umstellungen und genetischen Komponenten diskutiert. Einige Faktoren wirken begünstigend auf die Erkrankung (siehe Kasten).

Die Diagnose wird oft verzögert gestellt, was einen erheblichen Einfluss auf die körperliche und psychische Verfassung, die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit der  Frauen haben kann. Die Langzeitprognose ist jedoch günstig. Die meisten Patientinnen erleiden bis zur Menopause keine weiteren Frakturen. Im Falle einer erneuten Schwangerschaft empfehlen die Autoren jedoch eine engmaschige Kontrolle, da mit einer Rezidivrate von bis zu 20 % zu rechnen ist.

Quelle: Schwaller J et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1182-1185; DOI: 10.4414/smf.2023.09130