Smartphone-Blindheit vom Handy auf dem Nachttisch
Sowohl Augenärzte als auch Angiologen konnten keinen pathologischen Befund feststellen, der die nächtlichen Sehstörungen erklärt hätte. Die Bildgebung ergab keinen Hinweis auf ein thromboembolisches Ereignis. Die Vitamin-A-Spiegel lagen im Normbereich.
Im Dunkeln sah das eine Auge plötzlich nur noch schwarz
Und noch ein zweiter, ähnlicher Fall beschäftigte die Kollegen der neuroophthalmologischen Klinik in London. Eine 40-Jährige berichtete, seit einem halben Jahr wache sie immer wieder mit Sehproblemen auf einem Auge auf, die bis zu 15 Minuten anhielten. Deswegen war von einem externen Arzt bereits eine ASS-Therapie empfohlen worden. Auch bei dieser Patientin fanden die Fachärzte organisch nichts.
Durch genaues Nachfragen eruierten die Kollegen schließlich, dass die Sehprobleme immer nur auftraten, wenn die Frauen vorm Einschlafen bzw. direkt nach dem Erwachen mehrere Minuten lang im Bett in Seitenlage auf ihr Smartphone geschaut hatten. Im Schlafzimmer war es dabei dunkel und das Kopfkissen versperrte dem unteren Auge den Blick auf den Bildschirm. Dieses Auge adaptierte sich dabei an Dunkelheit, während das andere sich an die Screenbeleuchtung anpasste.
Der moderne Lebensstil schafft neue Diagnosen
Die unterschiedliche Ausbleichung der retinalen Photopigmente führt dazu, dass das lichtadaptierte Auge vorübergehend "erblindete" und die Patientin nur noch mit dem ans Dunkel adaptierte Auge sah, so die Erklärung der Autoren. Den beiden Frauen wurde das Phänomen erklärt und sie probierten die unterschiedliche Beleuchtung der Augen aus. Und tatsächlich: Die Symptome ließen sich reproduzieren. Auch eine Studie, die daraufhin initiiert wurde, bestätigte die Hypothese der Kollegen.
Angesichts des sich weiter ausbreitenden Gebrauchs von Smartphones und der immer heller werdenden Bildschirmbeleuchtung muss man vermehrt mit derlei Phänomenen rechnen, so die Autoren. Daran solle man denken, bevor man bei Sehproblemen die Pferde scheu macht und die große diagnostische Maschinerie anwirft.
Quelle: Alim-Marvasti A et al. NEJM 2016; 374; 2502–2504