Brandwunden So gelingt die Versorgung in der Praxis
Bei Patienten mit thermischen Verletzungen ist zunächst das Risiko einzuschätzen. Diejenigen mit lebensbedrohlichen oder die Gliedmaßen gefährdenden Verbrennungen bzw. Verbrühungen müssen notfallmäßig stationär behandelt werden, schreiben Dr. John Antrum vom Pinderfields General Hospital in Wakefield und Kollegen. Bei Kindern mit mutmaßlichem Brandunfall ist immer auf Warnsignale für Vernachlässigung und Missbrauch zu achten.
Die Ausdehnung lässt sich mithilfe einer Faustregel einschätzen, wonach eine Hand einschließlich Fingern etwa 1 % der Körperoberfläche entspricht. Rein erythematös veränderte Areale ohne Blasenbildung werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Als klein gelten Brandwunden, wenn sie bei Kindern < 2 % der Körperoberfläche umfassen und bei Erwachsenen < 3 %.
Fälle für den Spezialisten
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Verbrennungen von > 2 % der Körperoberfläche bei Kindern und > 3 % bei Erwachsenen
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drittgradige Brandverletzungen
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infizierte Läsionen
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Beteiligung der gesamten Zirkumferenz (z.B. am Finger)
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Beteiligung von Gesicht, Händen, Genitalien und Perineum
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Verdacht auf Missbrauch oder Vernachlässigung als Ursache
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Verbrennungen, die innerhalb von zwei Wochen nicht verheilen
Folgeschäden sind abhängig von der Lokalisation
Erstgradige Verbrennungen beschränken sich auf die Epidermis, bei zweitgradigen Läsionen ist die Dermis beteiligt und bei drittgradigen auch die Subkutis (s. Tab.). Auch die Lokalisation der Wunden ist relevant. Als kritisch gelten Hände, Füße, Gesicht, Perineum und Genitalien. Im Gesicht drohen starke Schwellungen, an den Händen Kontrakturen. Sind die Genitalien betroffen, ist mit Miktionsstörungen, bei Läsionen an den Füßen mit längerer Bettruhe zu rechnen.
Die Erstmaßnahme bei Verbrennungen ist nach wie vor die Kühlung mit Leitungswasser über einen Zeitraum von mindestens 20 Minuten. Sie ist auch bis zu drei Stunden nach dem Unfall noch effektiv und sollte deshalb gegebenenfalls in der Praxis fortgesetzt werden. Kühlen lindert den Schmerz, reduziert die Entzündung und vermindert die Progression. Von Eiswasser raten die Autoren ausdrücklich ab. Aufgrund der Vasokonstriktion kann es den Wundzustand sogar verschlechtern. Wegen der Schwellneigung an den Händen sollten Fingerringe frühzeitig entfernt werden.
Erstgradige Verbrennungen verheilen in der Regel ohne spezifische Therapie. Am besten vereinbart man mit dem Patienten eine erneute Vorstellung, falls sich Blasen bilden oder starke Schmerzen auftreten. Bei tieferen Läsionen ist vor der Reinigung auf eine ausreichende Analgesie zu achten. Am besten säubert man die Wunde mit warmem Wasser und verdünntem Chlorhexidin (0,1 % oder 0,2 %). Bereits rupturierte Blasen sollten entfernt werden. So lässt sich die Ausdehnung der Wunde besser erfassen, die Infektionsgefahr wird verringert und die Wirkung der Lokaltherapie verstärkt.
Klassifikation der Brandwunde | |||||
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Grad | Tiefe | Farbe | Blasen | Schmerz | kapillärer Rückfluss |
Grad 1 | epidermal | rosa | nein | ja | ja |
Grad 2 | superfiziell dermal | rosa | ja | ja | ja |
| mittlere Dermis | rot oder rot | ja | ggf. reduziert | evtl. vermindert |
| tiefe Dermis | rot oder blass | eventuell | verringert oder fehlend | fehlend |
Grad 3 | alle Hautschichten | weiß oder schwarz | nein | nein | fehlend |
Verbände dienen nicht nur dem Schutz, sie schaffen auch eine optimale Umgebung für das Abheilen der Wunde. Für den direkten Kontakt werden primär nicht-adhärente Auflagen empfohlen, eine resorptive Schicht darüber nimmt das Exsudat auf. Hydrokolloide, Hydrogele und Alginate fördern das autolytische Debridement. Silbersulfadiazin sollte nach Auffassung der Autoren nur bei Superinfektionen angewendet werden, da es resorbiert wird, die Einschätzung der Wundtiefe erschwert und die Abheilung verzögern kann.
Antibiotikaprophylaxe nicht in allen Fällen nötig
Bei Patienten mit kontaminierten Wunden muss der Tetanusschutz kontrolliert und gegebenenfalls komplettiert werden. Eine routinemäßige Antibiotikaprophylaxe wird bei kleinen Verbrennungen nicht empfohlen. Sie kann aber für Kinder unter fünf Jahren sinnvoll sein, um ein toxisches Schocksyndrom (s. Kasten links unten) zu verhindern.
Toxisches Schocksyndrom
Eine potenziell tödliche Komplikation ist das toxische Schocksyndrom. Dabei bewirken Exotoxine kolonisierender Bakterien (v.a. Staph. aureus) eine überschießende Immunantwort. Am häufigsten betroffen sind Kinder unter vier Jahren, die noch keine Antikörper gegen diese Toxine entwickelt haben. Die Erkrankung manifestiert sich üblicherweise mit einer plötzlichen klinischen Verschlechterung ein bis zwei Tage nach der Verbrennung. Zu den typischen Symptomen zählen Fieber ≥ 39 °C, Ausschlag, Lethargie, Reizbarkeit, Durchfall und Erbrechen. Die Wunde ist eventuell völlig unauffällig. Deshalb sollten alle Kinder mit Unwohlsein und Fieber nach Verbrennung einem Spezialisten vorgestellt werden.
Infektionen sind eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität nach Verbrennungen. Einen entsprechenden Verdacht wecken bei kleinen Wunden vermehrte Schmerzen, Zellulitis, Überwärmung und Verhärtung. Auch eine verstärkte und oft übel riechende Exsudation spricht für den Bakterienbefall. Patienten mit leichten lokalisierten Infektionen können mit oralen Antibiotika behandelt werden. Schwerere Fälle erfordern eine intravenöse Applikation und ein chirurgisches Debridement.
Zur Kontrolle des Therapieerfolgs empfehlen die Autoren, den Patienten innerhalb von zwei bis drei Tagen erneut einzubestellen. Sämtliche Verbrennungsläsionen verblassen im Verlauf, was leicht mit einer Progression oder einem Bakterienbefall verwechselt wird. Superfizielle Läsionen sollten innerhalb von zwei Wochen verheilen, bei tieferen kann es auch länger als drei Wochen dauern.
Quelle:
Antrum JHG et al. BMJ 2022; 379: e068812; doi: 10.1136/bmj-2021-068812