ST-Hebungsinfarkt: Frauen ohne gängige Marker am stärksten gefährdet
Die Mehrzahl der ST-Hebungs-Myokardinfarkte (STEMI) entsteht auf dem Boden einer Hypertonie, eines Diabetes mellitus oder einer Hypercholesterinämie, oft als Folge des Rauchens. Zunehmend erkranken jedoch auch Menschen ohne diese klassischen Faktoren. Sie haben im Vergleich zu Personen mit mindestens einem kardiovaskulären Risikomarker nach dem Infarkt deutlich schlechtere Überlebenschancen, berichtet ein Team um Professor Dr. Gemma Figtree vom Royal North Shore Hospital in Sydney.
Patienten ohne Risikofaktor starben weitaus häufiger
Die Wissenschaftler werteten anhand eines schwedischen Herzregisters die Daten von 62 048 STEMI-Patienten ohne vorbestehende koronare Herzkrankheit aus. In rund 15 % der Fälle lag kein, in den übrigen 85 % dagegen mindestens einer der typischen Risikofaktoren vor. Innerhalb von 30 Tagen nach der STEMI-Diagnose hatten diejenigen ohne entsprechende Vorbelastung eine um 47 % höhere allgemeine Sterblichkeit, wobei eine Geschlechterdifferenz zu Ungunsten der Frauen bestand. Die Mortalität blieb bei den Männern mehr als acht und bei den Frauen bis zu zwölf Jahre erhöht.
Der Zusammenhang zwischen dem Fehlen gängiger Parameter und der erhöhten 30-Tage-Mortalität ist nicht durch Rezidivinfarkte oder eine Herzinsuffizienz zu erklären, schreiben die Wissenschaftler. Sie führen die Diskrepanz vielmehr auf Unterschiede in der medikamentösen Sekundärprävention zurück: Trotz höherer Troponinspiegel und einer schlechteren linksventrikulären Funktion erhielten die vermeintlich weniger gefährdeten Patienten bei der Entlassung nämlich signifikant seltener eine leitliniengerechte Behandlung mit Statinen, ACE-Hemmern oder Betablockern – wobei Frauen erneut benachteiligt waren.
Die Annahme, Personen ohne Atherosklerose-Risikofaktoren seien nach einem Myokardinfarkt besser vor Komplikationen geschützt als diejenigen mit entsprechender Vorbelastung, ist falsch, warnen Prof. Figtree und Kollegen. Sie fordern daher: Alle STEMI-Patienten müssen in der frühen Postinfarktphase eine evidenzbasierte Pharmakotherapie erhalten.
Neue Marker dürften helfen, Gefährdete zu erkennen
In einem Editorial bekräftigt Professor Dr. Mai Tone Lønnebakken von der Universität Bergen diese Einschätzung und weist ausdrücklich auf die Geschlechterproblematik hin: Ihrer Ansicht nach fehlen Risikomarker – genetische, metabolische, bildgebende und inflammatorische Parameter –, anhand derer insbesondere die Gefährdung von solchen Frauen, bei denen herkömmliche Risikofaktoren fehlen, abgeschätzt werden kann.
Quellen:
1. Figtree GA et al. Lancet 2021; 397: 1085-1094; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00272-5
2. Lønnebakken MT. A.a.O.; 397: 1039-1040; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00375-5