Ein- und Durchschlafstörungen Stress, Schlafapnoe oder doch die Schilddrüse?

Autor: Joachim Retzbach/Nina Arndt

Jeder Zehnte leidet an chronischen Schlafstörungen, die sowohl körperliche als auch psychische Ursachen haben können. Jeder Zehnte leidet an chronischen Schlafstörungen, die sowohl körperliche als auch psychische Ursachen haben können. © Andrii Lysenko – stock.adobe.com

Etwa 30 % der Bevölkerung geben an, schlecht zu schlafen – für viele Betroffene bedeutet das eine starke Einschränkung der Lebensqualität. Ein Somnologe gibt einen Überblick über Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen in der hausärztlichen Praxis.

Schlafprobleme sind weit verbreitet: Rund ein Drittel der Bevölkerung klagt über eine zu kurze oder nicht erholsame Nachtruhe. Jeder Zehnte leidet an chronischen Schlafstörungen, deren Beschwerden länger als drei Monate andauern. Sie belasten nicht nur die Psyche, sondern können auch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben, erklärt der niedergelassene Schlafmediziner und Somnologe Dr. Michael Feld im Podcast O-Ton Allgemeinmedizin.

Hausärztinnen und Hausärzte sind oft die erste Anlaufstelle für Betroffene. Wegen der Vielzahl möglicher Ursachen gilt es zunächst zu prüfen, ob körperliche oder eher psychische Faktoren den Schlaf stören – oder beides. Das erste Indiz ist die Unterscheidung zwischen Ein- und Durchschlafstörung. Schläft jemand gut ein, wacht aber oft auf oder fühlt sich am nächsten Morgen wie gerädert, spreche das eher für eine körperliche Ursache, so Dr. Feld. Psychische Probleme wie Ängste, Stress und Depressionen dagegen verhindern, dass man abends zur Ruhe kommt. Deshalb dauert in diesen Fällen typischerweise das Einschlafen länger.

Als normale Einschlafzeit gelten bis zu 30 Minuten. Laut Dr. Feld sind aber auch 45 Minuten nicht per se problematisch: „Wenn Sie danach durchschlafen und es Ihnen gut geht, ist das noch keine Störung.“

Zu den häufigsten organischen Ursachen zählen schlafbezogene Atmungsstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schilddrüsenfehlfunktionen. Auch das Restless-Legs-Syndrom raubt Betroffenen oft den Schlaf.

Von der Anamnese bis zur Polysomnografie

Die Diagnostik erfolgt stufenweise. Gerade bei Schnarchen oder Atemaussetzern kommt es meist auf Berichte der Partnerin oder des Partners an. Nach der hausärztlichen Untersuchung kann im zweiten Schritt eine ambulante kardiorespiratorische Polygrafie erfolgen. Bei einem auffälligen Befund ist eine Polysomnografie im Schlaflabor angezeigt.

Die Behandlung von Schlafstörungen richtet sich nach ihrer Ursache. Komorbide körperliche Erkrankungen gilt es zuerst zu behandeln. Liegen psychische Faktoren zugrunde, kann in vielen Fällen bereits eine optimierte Schlafhygiene helfen. Dazu gehöre in erster Linie eine dunkle, leise und kühle Schlafumgebung, erklärt Dr. Feld. Fett- oder zuckerreiche Mahlzeiten gilt es spätestens eine Stunde vor dem Zubettgehen zu vermeiden; Handy und Fernseher gehören bei insomnischen Symptomen nicht ins Schlafzimmer. Auch wichtig laut Dr. Feld: sich nicht aus Angst, zu wenig Schlaf zu bekommen, zu früh hinlegen – „wirklich erst ins Bett gehen, wenn man müde ist!“

Die Behandlung der Wahl bei psychisch bedingten Schlafstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Die Wartezeiten sind allerdings oft lang. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind dem Experten zufolge zwar kein Ersatz für eine klassische Psychotherapie, aber eine sinnvolle Überbrückung, wenn Therapieplätze schwer verfügbar sind.

Für einige Patientinnen und Patienten können pflanzliche Arzneimittel wie Baldrian oder Hopfen eine vorübergehende Hilfe darstellen. Niedrig dosiertes Melatonin ist ebenfalls beliebt. Dieses kann auch in den frühen Morgenstunden noch eingenommen werden, da es keine lang anhaltende Wirkung entfaltet. Antihistaminika haben zwar ebenfalls eine schlaffördernde Wirkung, bei einigen Betroffenen führen sie jedoch zu einem starken Hangover am Folgetag. „Eigentlich müssten die rezeptpflichtig sein“, warnt Dr. Feld.

Wenn Schlafhygiene und nicht-medikamentöse Verfahren nicht ausreichen, können verschreibungspflichtige Schlafmittel indiziert sein. Häufig verordnet werden Z-Substanzen wie Zopiclon oder Zolpidem, die eine gute schlaffördernde Wirkung haben. „So kurz wie möglich, so lange wie nötig“, fasst Dr. Feld die ärztliche Strategie zusammen.

Schlaftabletten werden zu Unrecht stigmatisiert

Er betont, dass Patientinnen und Patienten oft Angst vor Schlaftabletten hätten, insbesondere in Bezug auf eine Abhängigkeit und Stigmatisierung. Für manche Betroffene würden sie trotzdem eine sinnvolle Lösung darstellen. Dabei gelte es individuelle Faktoren wie die Lebensqualität und das Alter zu berücksichtigen.

Unbehandelt können chronische Schlafstörungen schwerwiegende Konsequenzen haben. Neben einer erhöhten Anfälligkeit für Bluthochdruck, Herzinfarkte und Schlaganfälle gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen. Schlaf diene der glymphatischen Hirnreinigung, betont Dr. Feld. Wird diese über Jahrzehnte gestört, kann das Risiko für Alzheimer steigen. Hausärztinnen und Hausärzte sollten Schlafstörungen aktiv ansprechen, rät der Somnologe. Nur so lässt sich verhindern, dass Schlafprobleme chronisch werden und langfristig ernsthafte Schäden verursachen.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht