TAVI: Kein Klappenersatz bei Gebrechlichen
Zu einer schweren Aortenklappenstenose kommt es bei 3,4 % der über 75-Jährigen. Angesichts der Mortalität von 50 % im ersten Jahr liegt es nahe, sich mit dem Eingriff nicht lange Zeit zu lassen. Auf der anderen Seite folgen solchen Interventionen gerade bei älteren Semestern häufig schwere funktionelle Beeinträchtigungen, warnen Dr. Dae H. Kim von der Harvard Medical School und Kollegen. Und die wiegen z.B. bei Komorbiden oft schwerer als die ggf. erreichte Lebensverlängerung.
Bisher fehlten allerdings die Daten, um solche Zukunftsaussichten der Patienten abzuschätzen; dabei wollte es das Team nicht belassen. Am Beth Israel Deaconess Medical Center starteten sie deshalb eine Studie mit 241 Kandidaten ab 70 Jahren, die für einen chirurgischen oder internistischen (Transkatheter-Implantation, TAVI) Klappenersatz infrage kamen. Präoperativ wurde der geriatrische Status erhoben und ein Gebrechlichkeits-Index (comprehensive geriatric assessment, CGA) als Ausgangswert berechnet. Im Folgejahr der Intervention fragten die Forscher das körperliche und geistige Funktionsvermögen telefonisch zu fünf Zeitpunkten ab.
Jeder vierte Unfitte wird durch den Eingriff zum Pflegefall
Für beide Interventionen kündigte ein hoher Gebrechlichkeits-Index bei der Mehrheit der Patienten einen deutlichen postinterventionellen Abbau an. Insgesamt ergab die Zuordnung von funktioneller Entwicklung und vorher erhobener Verfassung fünf Verläufe (Anteile für OP und TAVI):
- exzellente Verfassung – Verbesserung (37 und 14 %)
- gute Verfassung – komplette Erholung (38 und 23,1 %)
- mittelmäßige Verfassung – minimaler Abbau (19 und 38 %)
- schlechte Verfassung – moderater Abbau (3 und 15 %)
- schlechte Verfassung – starker Abbau (1 und 8 %)
Das zahlenmäßig bessere Abschneiden der OP ist dem nicht-randomisierten Design der Studie geschuldet, betonen die Autoren, denn invasiv operiert werden generell die „fitteren“ Patienten (CGA-Index ≤ 0,5). Dadurch sei auch kein direkter Vergleich der Methoden möglich. Besonders fatal wirkte sich in beiden Gruppen ein postinterventionelles Delir aus.
Selbst die weniger invasive TAVI hatte, je nach funktionellem Ausgangswert, ein breites Spektrum an möglichen Outcomes, berichten die Autoren. Theoretisch lag die Chance, mit der TAVI die Herzsymptome zu verbessern (keine bis leichte Einschränkung), in der Analyse bei 44 %. Befand sich der Patient gleichzeitig aber in einer schlechten Verfassung (CGA-Level über 0,5), war ein funktioneller Abbau garantiert und er wurde mit einer 23%igen Wahrscheinlichkeit durch den Eingriff zum Pflegefall.
Dr. Kim und Kollegen raten, den Gebrechlichkeits-Index zu nutzen, um vor einem Eingriff dem jeweiligen Patienten gegenüber Best- und Worst-Case-Szenario deutlich zu machen. So kann man die Patientenwünsche mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten der Outcomes in Relation setzen.
Quelle: Kim DH et al. JAMA Intern Med 2019; online first