Schilddrüsenunterfunktion Therapie von Hypothyreose: Hormon-Schindluder
Schilddrüsenhormone gehören zu den Top 5 der am häufigsten verordneten Medikamente. Laut einer schweizerischen Kohortenstudie nehmen im Alter zwischen 35 und 75 Jahren knapp 4 % der Menschen dauerhaft L-Thyroxin ein. Wie sich in der Studie mit 4.334 Probanden ebenfalls herausstellte, erreichte das THS unter der Therapie nur bei 73,2 % den Zielbereich. In 16,6 % der Fälle war LT4 überdosiert, in 10,2 % unterdosiert.
Dies ist vor allem deshalb relevant, weil eine nicht-euthyreote Stoffwechsellage unter LT4 mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität assoziiert ist, sagte Prof. Dr. Matthias Weber von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Darauf deutet zumindest eine retrospektive longitudinale Kohortenstudie aus den USA hin. Darin wurden mehr als 705.000 Veteranen im Alter zwischen 57 und 78 Jahren mit neuer LT4-Verordnung und mindestens zwei TSH-Kontrollen im Median vier Jahre nachbeobachtet.
Auch wenn die Autoren etliche Einflussfaktoren berücksichtigten, zeigte sich sowohl bei iatrogener (subklinischer) Hyperthyreose als auch bei subklinischer Hypothyreose eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität. Lagen die TSH-Werte < 0,1 mU/l, errechnete sich eine adjustierte Hazard Ratio (AHR) von 1,39. Überstiegen sie 5,5 mU/l, kletterte die AHR von 1,42 auf bis zu 2,67 (bei > 20 mU/l TSH). Wer mit Schilddrüsenhormon behandelt, muss ausreichende Kontrollen durchführen, um eine normale Stoffwechsellage mit einem TSH im Normbereich sicherzustellen, betonte der Kollege.
TSH-Messung nach ein paar Wochen wiederholen
Eine klare Indikation für eine L-Thyroxin-Therapie besteht bei manifester Hypothyreose sowie bei subklinischer Unterfunktion mit TSH-Spiegeln von > 7–10 mU/l bei normalen fT3- bzw. ft4-Spiegeln. Wichtig ist, dass man den TSH-Wert mit einer zweiten Messung einige Wochen nach der ersten wiederholt. In mehr als 60 % der Fälle hat sich der erhöhte Wert nämlich in der Zwischenzeit normalisiert.
Liegt eine subklinische Hypothyreose mit TSH-Werten von 4–7 mU/l vor, muss über das weitere Vorgehen individuell entschieden werden. Bei jüngeren Patienten sowie bei solchen mit Symptomen, kardiovaskulärer Erkrankung oder positiven Schilddrüsenantikörpern erscheint die Gabe von LT4 eher indiziert. Ist ein Patient dagegen symptomfrei, adipös oder schon älter, hat zumeist eine Watch-and-wait-Strategie Vorrang.
Erst im letzten Jahr ergab ein Review aller vorhandenen randomisierten Studien und Metaanalysen, dass bei Menschen ab 65 Jahre eine subklinische Hypothyreose mit TSH-Werten < 7 mU/l weder mit kardiovaskulären noch mit muskuloskelettalen Ereignissen oder der kognitiven Funktion assoziiert ist. Zudem ließ sich kein positiver Effekt einer LT4-Therapie nachweisen. Eine subklinische Hypothyreose mit einem TSH > 7 mU/l war dagegen in den vorhandenen Kohortenstudien mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Mortalität, Herzinsuffizienz, KHK und Schlaganfall assoziiert. Randomisiert-kontrollierte Studien gibt es zu dieser Fragestellung nicht, sagte Prof. Weber. Die Empfehlung der Reviewautoren lautet, bei Patienten ab 65 Jahre erst dann eine Hormontherapie zu erwägen, wenn das TSH < 7 mU/l beträgt. Bei sehr alten Menschen über 85 müsse man noch zurückhaltender agieren. Erst ab einem TSH von 10 mU/l sei grundsätzlich eine Substitution zu empfehlen.
Im Zweifel einen Auslassversuch wagen
„Bitte hinterfragen Sie eine langjährige Schilddrüsenhormon-Medikation“, forderte Prof. Weber. „Scheuen Sie nicht davor zurück, auch mal einen Auslassversuch zu machen, wenn Sie nicht klar ersehen können, warum das überhaupt gemacht wird.“ Zur Vorsicht riet er bei der Therapie alter Menschen. Entscheidet man sich dafür, sollte man sie hochnormal einstellen, da der TSH-Normbereich altersbedingt ansteigt.
Quelle: Kongressbericht 18. Diabetologie-Update-Seminar