Diabetes Inzidenz Deutschland Typ-2-Diabetes: So entwickelt sich die Inzidenz in Deutschland

Autor: Redaktion diabetes zeitung

Auch regionale Trends entdeckten die Forschenden des DDZ. Auch regionale Trends entdeckten die Forschenden des DDZ. © apinan – stock.adobe.com

 Auf Basis der Daten von rund 63 Millionen ­gesetzlich Versicherten hat das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) erstmals Trends zur Inzidenz des Typ-2-Diabetes über ­einen Zeitraum von sechs Jahren erhoben. Die Entwicklung lässt sich daraus zudem bis auf Kreisebene ­verfolgen. 

Bislang sind Studien, die zeitliche Veränderungen von Inzidenzen von Typ-2-Diabetes (T2D) in Deutschland untersuchen, selten: Sie können entweder nur auf kürzere Zeiträume zurückblicken, oder den zeitlichen Verlauf ausschließlich in vergleichsweise großen Regionen abbilden. „Daher war uns wichtig, einen möglichst langen Zeitraum zu untersuchen, damit verwertbare Trends entstehen und nicht nur eine Momentaufnahme erfolgt“, so Erstautor Dr. Thaddäus Tönnies vom Institut für Bio­metrie und Epidemiologie am DDZ.

Die Wissenschaftler modellierten daher alters- und geschlechtsspezifische sowie regionale Trends der T2D-Inzidenzrate für die Jahre 2014 bis 2019. Dazu stellte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung anonymisierte Daten aller gesetzlich Versicherten in Deutschland (ca. 85 % der Gesamtbevölkerung; entspricht ca. 63 Millionen Versicherten) zur Verfügung. Die Identifikation einer Typ-2-Diabetes-Neuerkrankung erfolgte auf Grundlage der entsprechenden ICD-10-Codes, wobei für einen inzidenten Fall mindestens zwei Kodierungen in zwei unterschiedlichen Quartalen vorliegen mussten.

Neu an Typ-2-Diabetes: Erkrankte werden immer jünger  

Insgesamt wurden jedes Jahr ca. 450.000 Neuerkrankungen erfasst. Gleichzeitig stellte die Arbeitsgruppe fest, dass die Inzidenzrate bei Frauen um 2,4 % und bei Männern um 1,7 % jährlich über alle Altersgruppen sank, vor allem in den höheren Altersgruppen. „Erfreulich ist, dass die deutschlandweite Inzidenz offenbar um etwa zwei Prozent pro Jahr sinkt – auch wenn die Zahl der Neuerkrankungen immer noch immens ist“, sagt Tönnies. Was bedenklich stimme, sei der Fakt, dass in der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen die Neuerkrankungen anstiegen: bei Männern um 2,9 % und bei Frauen um 2,4 % jährlich.

Deswegen erstaunt es auch nicht, dass der Anteil der Betroffenen insgesamt weiter steigt. „Dass die Prävalenz im gleichen Zeitraum steigt, ist nur ein scheinbarer Widerspruch“, so Professor Dr. Oliver Kuß, Leiter des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am DDZ. „Denn die immer besser werdende medizinische Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes führt zu einer höheren Lebenserwartung und damit auch zu einem größeren Anteil erkrankter Personen an der Gesamtbevölkerung.“

Zum Teil große Unterschiede zwischen den Kreisen

Wie die bundesweite Inzidenzrate sinkt auch der SIR auf Kreisebene über den Beobachtungszeitraum. Dabei ist der SIR der Faktor, um den sich die Inzidenzrate eines Kreises von der bundesweiten Inzidenzrate im Jahr 2014 unterscheidet. Weisen Kreise einen SIR < 1, SIR = 1 und SIR > 1 auf, bedeutet dies folglich eine niedrigere, gleiche oder höhere Inzidenzrate im Vergleich zur bundesweiten Inzidenzrate im Jahr 2014.

Keine Entwarnung – und zwar aus diesen Gründen

„Auch, wenn die vorliegende Arbeit erstmals auf leicht sinkende Neuerkrankungsraten hinweist, muss weiterhin intensiv beobachtet werden, ob sich dieser Trend auch fortsetzt“, fordert Professor Dr. Michael Roden, Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf sowie Direktor des Deutschen Diabetes-Zentrums. Die Dynamik könne sich rasch wieder umkehren, wie Daten aus Dänemark zeigten.

Auch eine gewisse Dunkelziffer Nicht-Diagnostizierter sowie Falsch-Kodierungen dürfe man im Sinne der Limitation der Ergebnisse nicht unberücksichtigt lassen. Präventive Maßnahmen, gezielte Bewegungsangebote, gesunde Ernährungsgewohnheiten und die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung müssen verstärkt gefördert werden, um aus einem ersten Trend eine langfristige Kehrtwende für Deutschland einzuleiten. 

Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Erkrankungszahlen bei Typ1-Diabetes auch in Deutschland steigen und dass immer mehr Menschen erst als Erwachsene die Diagnose Typ-2-Diabetes erhalten (siehe dazu diabetes zeitung 3/2023, S.11).

 

2019 lagen deutlich mehr Kreise unter der bundesweiten Inzidenzrate des Jahres 2014 als im Jahr 2014. Entsprechend weisen fast alle Kreise einen sinkenden SIR auf, wobei die mittlere Verringerung bei –2,2 % jährlich liegt. Es ist aber auch zu erkennen, dass die Inzidenzrate in den neuen Bundesländern und im Saarland tendenziell über dem Bundesdurchschnitt liegt, im Nordwesten und Süden Deutschlands hingegen unter dem von 2014. In 14 Kreisen ist sogar eine steigende Tendenz zu erkennen: In den Kreisen Main-Kinzig-Kreis, Dessau-Roßlau und Gotha stieg der Faktor um mehr als 1 % pro Jahr.

 

 

Literatur: 

120: 173-179; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0405