Perianale Fisteln Von Antibiotika bis Stammzellen

Autor: Kathrin Strobel

Patient:innen mit perianalen Fisteln fällt es meist schwer, die Probleme überhaupt  anzusprechen. Patient:innen mit perianalen Fisteln fällt es meist schwer, die Probleme überhaupt anzusprechen. © Alrandir – stock.adobe.com

Fissuren, Strikturen, Dermatitiden und Hämorrhoiden: Perianale Beschwerden bei Morbus Crohn können sich auf unterschiedlichste Weise äußern. Den größten Leidensdruck bereiten Fisteln. Die Behandlung erfordert eine gute Abstimmung mit dem Patienten sowie sorgfältiges Abwägen der zur Verfügung stehenden Verfahren.

Perianale Beschwerden sind ein Thema, das in der Behandlung von Patienten mit Morbus Crohn häufig vernachlässigt wird. Die Betroffenen selbst sprechen nicht gerne darüber, und die behandelnden Ärzte schauen oder hören nicht richtig hin. Dabei leidet ein nicht unerheblicher Teil der Patienten unter Fissuren, Strikturen, Marisken, Dermatitiden und Hämorrhoiden. Manchmal überlappen sich verschiedene Beschwerden. Die perianalen Komplikationen bei Morbus Crohn beschränken sich zwar nicht nur auf Fisteln, betonte Prof. Dr. Antonino­ Spinelli­, Humanitas Universität, Mailand. Doch sie stellen sicherlich eine der bedeutendsten Komplikationen des Morbus Crohn dar und gehen mit einer erheblichen Minderung der Lebensqualität einher.

Erwartungen und Bedürfnisse des Patienten erfragen

In der Behandlung von Fisteln im Rahmen eines Morbus Crohn gilt es zuallererst, die Art und Ausdehnung der Beschwerden zu bestimmen. Hat der Patient eine Proktitis? Welche Art von Fistel liegt vor und wo ist sie lokalisiert? Handelt es sich um eine oder mehrere Fisteln? Zudem gilt es, mit dem Patienten zu sprechen und seine Beschwerden, Erwartungen und Bedürfnisse zu erfragen.
Essenziell in der Therapie peri­analer Fisteln sind laut Prof. Spinelli zwei grundlegende Konzepte:
1. Sepsiskontrolle
2. Therapie der zugrunde liegenden aktiven luminalen Erkrankung.

Mit Antibiotika allein sollte man nicht versuchen, Fisteln zu heilen. Denn spätestens nach dem Absetzen hat der Patient in der Regel wieder Probleme. Eine antibiotische Therapie kann allerdings unterstützend eingesetzt werden, um die Beschwerden zu lindern und die Drainage zu vereinfachen. In Kombination mit einem Immunmodulator kann es zu positiven synergistischen Effekten kommen. Mit systemischen ­Biologika lassen sich in der Behandlung von Crohn-Fisteln teilweise Erfolge erzielen. Die meisten Substanzen wurden allerdings nicht speziell für diese Indikation untersucht, sodass verlässliche Daten fehlen. Die lokale Injektion von Anti-TNF-­Blockern ist zwar eine sichere nichtinvasive Methode, so Prof. Spinelli. Die berichteten Ergebnisse sind allerdings zu einem großen Teil klinisch und eher heterogen.

Einfache oberflächliche Fisteln lassen sich chirurgisch mittels ­Fistulotomie behandeln. Dabei ­handelt es sich um ein einfaches Verfahren. Gerade bei Morbus-Crohn-Patienten spielt diese Methode jedoch kaum eine Rolle, erklärt Prof. Spinelli. Vor der Fistulotomie sollte man zwingend eine Beteiligung des Sphinkters ausschließen. Sonst besteht die Gefahr einer Inkontinenz nach dem Eingriff.

Bei sorgfältig ausgewählten Patienten ohne aktive Proktitis kann ein Verschiebelappen (advancement flap) eine gute Wahl sein. Die Erfolgsrate in dieser Gruppe liegt bei 50 %. Für Patienten mit langen und/oder lateralen Fisteln sowie solche mit einem Morbus Crohn des Dünndarms ist die LIFT*-Methode eine Option. Diese ist jedoch chirurgisch anspruchsvoll und nur bei relativ einfachen Fisteln durchführbar.

Die videoassistierte Analfistel­behandlung ist ein minimalinvasives Verfahren, bei dem die Fistel zuerst gereinigt und dann verschlossen wird. Mithilfe dieser Methode lassen sich eventuell vorhandene sekundäre Fistelgänge identifizieren, erklärt der Kollege. Für das Verfahren wird allerdings relativ teures Gerät benötigt und die Lernkurve ist relativ lang.

Vergleichsweise schnell zu erlernen ist eine Methode, bei der die Fistel mittels Laser verschlossen wird (Fistula Laser Closure, ­FiLaC). Das Verfahren ist minimalinvasiv und kann auch als letzter Schritt nach anderen Techniken verwendet werden, um die Fistel zu schließen. Nachteilig sind die Anschaffungskosten und die Tatsache, dass die Fistel während des Eingriffs nicht direkt visualisierbar ist. Das Verfahren kommt nur für ausgewählte Patienten infrage.

Wenig Erfolg verspricht die Behandlung mit einem Fibrinkleber. Nur selten lässt sich damit eine Remission erzielen, Rezidive sind häufig. Auch ein Fistelplug führt bei Crohnpatienten nur selten zum Erfolg. 

Viele Faktoren beeinflussen die Therapieentscheidung

Eine relativ neue schließmuskel­erhaltende Option ist die Therapie mittels Stammzellen. Diese werden nach Kürettage in den Bereich der inneren Fistelöffnung sowie entlang des Fisteltrakts injiziert. Trotz einer hohen Placebo-Ansprechrate konnte sich die Stammzellbehandlung in der Zulassungsstudie in Bezug auf die Remissionsraten deutlich von der Placebotherapie abheben.

Prinzipiell gilt es bei der chirurgischen Behandlung des perianalen Morbus Crohn zu beachten, dass es sich hierbei um ein dynamisches Geschehen handelt, so Prof. Spinelli. Wichtig sei bei allen Ansätzen die multidisziplinäre Zusammenarbeit. Die Therapieentscheidung wird beeinflusst durch individuelle Patientenmerkmale, die Vorlieben und Expertise des behandelnden Arztes, die Kosten sowie die Verfügbarkeit des Verfahrens.

* Ligation of the Intersphincteric Fistula Tract

Quelle: United European Gastroenterology (UEG) Week 2022