Hautkrebs Von der Nutzen-Schadens-Bilanz der Naeviexzision

ADO 2024 Autor: Lara Sommer

Zwei Diskutanten besprechen, ob zu viele Naevi entfernt werden und was gutes Hautkrebsscreening erfordert. Zwei Diskutanten besprechen, ob zu viele Naevi entfernt werden und was gutes Hautkrebsscreening erfordert. © anna.stasiia – stock.adobe.com

Melanozytäre Hautläsionen erweisen sich in der Pathologie nicht selten letztendlich als gutartig. Zwei Diskutanten erörterten, ob zu viele Naevi entfernt werden und wie die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Hautkrebsscreening aussehen.

PRO: Screenen, aber richtig

Mit der Devise „If in doubt, cut it out” argumentierte Prof. Dr. Rudolf Herbst, Helios Klinikum Erfurt, für eine Exzision verdächtiger Naevi.1 Die Zahl der Naevi, die entfernt werden müssen, um einen Hautkrebsfall zu verhindern (Number needed to excise, NNE), variiere. Dabei schneiden spezialisierte Dermatolog:innen und Fachkolleg:innen im Allgemeinen tendenziell besser ab als Allgemeinmediziner:innen. Einer Studie zufolge erwiesen sich 44,8 % der melanozytären Strukturen, die Letzere entfernen, am Ende als unauffällig, doppelt so viele wie bei Hautärzt:innen. Bezüglich der Rate inkompletter Resektionen zeigte sich eine ähnliche Diskrepanz „Es ist aber auch so, dass trainierte Primärversorger:innen besser werden können“, ergänzte der Referent zur Ermutigung.

Der Klinikdirektor stellte einige Richtlinien für eine erfolgreiches Hautkrebsscreening auf. Dazu zählte, dass geschulte Spezialist:innen die Exzisionsindikation stellen und im Zweifelsfall eine Zweitmeinung einholen. Seiner Erfahrung nach betreffen diese Ersuchen allerdings überproportional Läsionen, die sich nur aufwendig resezieren lassen, und fast nie Privatversicherte. 

Nicht verwechseln!

  • Atypischer Naevus: klinische Anzeichen von Atypie (z. B. ABCD-Regel)
  • Dysplastischer Naevus: Naevus mit histologischen Merkmalen einer Dysplasie

„Bei der bestätigenden Diagnostik ist die Histopathologie nach wie vor der Goldstandard“, merkte der Kollege an. Er erinnerte aber auch daran, dass bisher keine einheitlichen Kriterien für Dysplasie existieren. Im Falle einer inkompletten Entfernung und milder oder moderater Atypie erweise sich eine Nachresektion meist nicht als erforderlich.

Besonders appellierte Prof. Herbst, den histopathologischen Einsendeschein sorgfältig auszufüllen: „Dazu gehören verschiedene Angaben, zum Beispiel Familienanamnese, Lokalisation und Kontext, ob die Person einen oder mehrere solcher Naevi aufweist.“ Man solle zudem qualifizierte Fachleute auswählen: „Schicken Sie Ihr Exzidat weder an die billigsten Patholog:innen noch an jemanden, der/die bei jedem Naevus eine Molekularpathologie einschließlich FISH macht.“ Essenziell sei nicht zuletzt die adäquate Beratung der Patient:innen – sowohl vor- als auch hinterher.

Die angemessene Ausrüstung

Beide Diskutanten waren sich einig, dass Mediziner:innen obligat ein Dermatoskop verwenden sollten. Einer Metaanalyse zufolge steigert die Auflichtmikroskopie die Sensitivität der Melanomerkennung gegenüber dem bloßen Auge um 18 Prozentpunkte (87 % vs. 69 %) und die Spezifität immerhin von 88 % auf 91 %. Prof. Hauschild plädierte sogar für die videogestützte Dermatoskopie, die eine Dokumentation zeitlicher Verläufe ermöglicht. 

KONTRA: Sofortige Resektion nur bei konkretem Melanomverdacht  

Prof. Dr. Axel Hauschild vom UKSH, Campus Kiel, vertrat dem gegenüber die Position, dass grundsätzlich zu viele Naevi entfernt werden.2 Atypische Naevi bergen aus seiner Sicht wenig Krebsgefahr: „Die Wahrscheinlichkeit einer malignen Transformation liegt bei 1:35.000.“ Bei dysplastischen Naevi handele es sich wiederum um Indikatoren für ein erhöhtes Melanomrisiko, aber nicht um Vorstufen der Malignome. Die meisten Melanome entstehen sogar außerhalb dieser Pigmentläsionen. 

In einer Kohorte mit 115 Personen, bei denen dysplastische Naevi inkomplett entfernt wurden und der Geweberest verblieb, trat nach median 17,4 Jahren Follow-up bisher kein malignes Melanom auf. Auch kongenitale melanozytäre Läsionen mit einem Durchmesser bis zu 20 cm gehen allenfalls mit einem geringfügig erhöhten Risiko einher. „Das Monitoring ist mit digitaler Auflichtmikroskopie und Ganzkörperfotografie möglich“, schlussfolgerte der Experte.

Eine amerikanischen Fachgesellschaft gibt als Ziel eine NNE von 1:10 an. Gemäß der Jahresstatistik einer Hautarztpraxis fanden sich unter 1.721 entfernten melanozytären Hautveränderungen jedoch nur 21 maligne Melanome (1,2 %). 1.000 Gewebsproben sahen die Patholog:innen letzendlich nicht mal als dysplastisch an. Damit beträgt die NNE nach Rechnung des Referenten 1:82. Ihm zufolge finden die meisten Resektionen bei jungen Menschen, vor allem Frauen, statt, deren Krebsrisiko niedrig liegt. „Vermutlich, weil die Ärzt:innen hier Angst haben, ein Melanom zu übersehen, und auch die Patient:innen Angst haben, eines zu bekommen“, mutmaßte der Dermatologe. Er verwies darauf, dass die NNE in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren etwa 60 betrage und bei Kindern noch wesentlich höher liege. Sein Fazit: „Hier läuft irgendetwas falsch, wahrscheinlich aus dem Sicherheitsbedürfnis der Ärzteschaft heraus.“

Er exzisiere nur bei klarem Melanomverdacht, aber nicht prophylaktisch, resümierte Prof. Hauschild. Im Zweifelsfall sei oftmals eine Wiedervorstellung nach drei Monaten möglich. „Das ist ungemein effizient und führt meist dazu, dass der Naevus nicht herausgeschnitten werden muss.“ Er räumte aber ein, dass man insbesondere noduläre Melanome nicht übersehen dürfe, die rasch fortschreiten können. 

Quellen:
1. Herbst R. 34. Deutscher Hautkrebskongress; Vortrag „Excision dysplastischer Nävi und die Number needed to treat – Pro“
2. Hauschild A. 34. Deutscher Hautkrebskongress; Vortrag „Excision dysplastischer Nävi und die Number needed to treat – Contra“