Chronische Diarrhö Von Nüchterntest bis Duodenalbiopsie

Autor: Dr. Sabine Debertshäuser

Die Diarrhöe wird in resorptionsbedingte und sekretorische unterschieden. Die Diarrhöe wird in resorptionsbedingte und sekretorische unterschieden. © s-motive – stock.adobe.com

Bei chronischen Durchfällen gestaltet sich die Ursachensuche mitunter schwierig.  Experten haben zusammengefasst, was bei der Diagnostik zu beachten ist – und wann man an eine Zöliakie denken sollte.

Dauern Durchfälle mehr als vier Wochen an, spricht man von einer chronischen Diarrhö. Um diese richtig zu klassifizieren, braucht es eine ausführliche und gute Anamnese, wie Dr. Federica Branchi und PD Dr. Michael Schumann von der Charité – Universitätsmedizin Berlin schreiben. Art der Symptome, Beginn und Dauer des Durchfalls müssen gründlich erfasst werden. Dabei lohnt es sich, nach Stuhlinkontinenz und Veränderungen der Stuhlgewohnheiten zu fragen, so die Experten. Werden nächtliche Stuhlgänge, Hämatochezie, Gewichtsverlust und Nachtschweiß verneint, spricht das eher für ein Reizdarmsyndrom vom Diarrhötyp (IBS-D). Wenn Beschwerden wie Durchfall und Verstopfung im Wechsel auftreten (paradoxe Diarrhö), kann u.a. ein stenosierender Prozess dahinterstecken. Auch die Frage nach der Einnahme von Laxanzien führt manchmal auf den richtigen Weg.

Prinzipiell unterscheidet man resorptionsbedingte (osmotische) und sekretorische Diarrhöen. Erstere entstehen durch verminderte Absorption, Letztere durch übermäßige Abgabe von Flüssigkeit und Elektrolyten ins Darmlumen. Wenn die parazelluläre Barriere gestört ist (Tight-Junction-Defekte), spricht man von einer Leckflux-Diarrhö.

Calprotectin spricht für eine entzündliche Genese

Bewährt zur Unterscheidung hat sich der Nüchterntest: Dabei werden die Symptome nach mindestens 24-stündiger Nahrungskarenz bestimmt. Dauern die Krankheitszeichen an, handelt es sich um eine sekretorische oder Leckflux-Diarrhö. Findet sich bei der weiteren Abklärung Calprotectin im Stuhl, ist das ein Indikator für eine entzündliche Genese. Letzte Gewissheit geben Darmspiegelung und Mikrobiologie. Wichtig ist die Unterscheidung von parasitären Magen-Darm-Infekten, mikroskopischer Kolitis, NSAR-induzierter Dickdarmentzündung und Strahlenenteritis. Liegt ein negativer Calprotectin-Test vor, ist eine Hypermotilität des Darms anzunehmen (z.B. durch IBS-D, Hyperthyreose, neuroendokrine Tumoren, Gallensäuren, Laxanzien-Abusus). 

Sistieren die Beschwerden im Rahmen des Nüchterntests, liegt eine malabsorptive (osmotische) Diarrhö vor. Zum weiteren Vorgehen empfehlen die Studienautoren eine serologische Zöliakiediagnostik sowie eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsien, um zu klären, ob eine Zöliakie, eine Lambliasis oder ein Morbus Whipple den Beschwerden zugrunde liegen. Als andere Auslöser nennen die Autoren den Verzehr osmotisch wirkender Substanzen wie Xylit oder Sorbit, den primären Laktasemangel, eine bakterielle Fehlbesiedelung, eine chologene Diarrhö oder eine exokrine Pankreasinsuffizienz. Malabsorptionen können durch H2-Atemtests bestimmt werden, die Diagnose der Pankreasinsuffizienz glückt über die Bestimmung der Stuhl-Elastase. Bei Verdacht auf ein Gallensäurenverlustsyndrom hilft der Colestyramintest. 

Zur Abklärung der Zöliakie gehört den Leitlinien zufolge die Serologie und eine duodenale Biopsie. Neben der Bestimmung der Transglutaminase-Antikörper im Serum raten die Autoren zur Kombination mit der Gesamt-IgA-Bestimmung, um einen selektiven IgA-Mangel auszuschließen. 

Das Schleimhautbild wird nach Marsh klassifiziert

Die duodenale Biopsie mit Histologie ist Goldstandard und sichert die Diagnose. Hierbei ist darauf zu achten, dass mindestens sechs Proben entnommen werden, auch aus dem Bulbus duodeni. Das typische Schleimhautbild wird nach Marsh klassifiziert. 

Auch bei chronischem Durchfall ohne Antikörpernachweis sind Spiegelung und Biopsie hilfreich. Selbstverständlich macht die Diagnostik ausschließlich unter glutenhaltiger Ernährung Sinn, unterstreichen die  Experten. Hält der Patient schon länger eine glutenfreie Diät, kann die Testung erst nach kontrollierter Glutenbelastung erfolgen. Oder man rät dem Patienten zunächst zu einem Gentest auf HLA-DQ2 oder HLA-DQ8 aus einer Blutprobe. Sinnvoll ist dieser auch bei familiärer Disposition. Bei negativem Gentest ist eine Zöliakie ausgeschlossen. Umgekehrt ist zu beachten, dass Träger der Merkmale eine Zöliakie entwickeln können, es aber nicht müssen. 

Die klassische Zöliakie geht häufig mit einer chronischen Diarrhö einher. Heutzutage gibt es aber oft auch Fälle mit viel weniger ausgeprägten und unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsminderung und Depressionen, so die Experten. In anderen Fällen wiederum lässt sich zwar die typische Zottenarchitektur nachweisen, aber es finden sich keine Antikörper. Dann hat man es mit der seltenen seronegativen Zöliakie zu tun. Zudem kann eine Zottenatrophie auch bei anderen Krankheiten auftreten. Daher ist bei negativem Antikörpernachweis eine umfassende Diagnostik erforderlich sowie ggf. ein Therapieversuch mit glutenfreier Kost. 

Und schließlich gibt es die sogenannte potenzielle Zöliakie, bei der sich trotz hohen Antikörperspiegels keine Veränderungen der Duodenalschleimhaut ausmachen lassen. Bleibt die Ernährung bei betroffenen Patienten glutenreich, kann sich eine handfeste Zöliakie entwickeln. Die Empfehlungen lauten, bei asymptomatischen Patienten mit isolierter Serologie abwartend zu agieren und bei gastrointestinalen Symptomen zu einer glutenfreien Kost zu raten.

Quelle: Branchi F, Schumann M. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 353-360; DOI: 10.1055/a-2057-3978