Viel mehr Fußballer müssten nach Zusammenstoß vom Platz!
Wann kann nach Muskelverletzungen wieder trainiert werden?
Ein scharfer, stechender Schmerz, ein Ziehen – und schon ist es passiert. Der Muskel verletzt, der Spieler fällt wochenlang aus. In den meisten Fällen handelt es sich um indirekte Risse oder Zerrungen. Sie entstehen aus der aktiven Kontraktion, wenn die Zugkraft das maximale Potenzial des Muskels überschreitet, ein häufiges Phänomen bei den Profis.
Etwas seltener können auch externe Faktoren wie Quetschungen zu Muskelverletzungen führen, erklären Dr. Helge Riepenhof von der Sportprävention am BG Klinikum Hamburg und Kollegen. Um den Kickern schnell wieder auf die Beine zu helfen, empfehlen sie folgendes Vorgehen.
Diagnose
Wird zunächst klinisch gestellt. Ärzte achten auf Ekychymosen und Deformitäten, tasten nach Muskellücken und prüfen die betroffenen Stellen funktionell, passiv wie aktiv. Die Bildgebung hilft dabei, den Grad der Verletzung näher zu bestimmen und eine Prognose zur Rückkehr des Spielers abzugeben (s. Tabelle). Aber Vorsicht: Die erste Aussage prägt die Erwartungen von Sportlern, Trainern, Funktionären und Medien. Als optimalen Zeitpunkt für das MRT nennen die Autoren 24 Stunden nach dem Trauma, der Ultraschall liefert nach 48 Stunden die sichersten Resultate.
Klassifikation von Muskelverletzungen | ||
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Radiologische Einteilung | Befund | Prognose zum „return-to-play“ |
Grad 0 | Ödem mit möglichen Verletzungen der Muskelfasern (< 5 mm), funktioneller Schaden | höchstens eine Woche |
Grad 1 | kleinste Verletzungen der Muskelfasern (< 10 mm) | 7-15 Tage |
Grad 2 | deutlicher Defekt im Muskel (> 10 mm) | 15-21 Tage |
Grad 3 | kompletter Muskelabriss, evtl. mit Retraktion | 6-12 Wochen |
Therapie
Die altbewährte PECH-Regel genießt weiterhin große Bedeutung. Als Sofortmaßnahmen in den ersten drei bis fünf Tagen raten die Experten dazu, „Pause, Eis, Compression, Hochlegen“ am besten alternierend für 20–30 Minuten alle drei bis vier Stunden durchzuführen. Da die Eisapplikation kleine Gefäße schädigen kann, sollte man mit ca. 14 °C kühlen.
Ansonsten stellen Muskelverletzungen eine Domäne der konservativen Therapie dar. Wie immer gibt es einige Ausnahmen, in denen Kollegen eine OP vorziehen können:
- drohendes Kompartmentsyndrom,
- Komplettrupturen,
- evtl. zweitgradige Verletzungen mit mindestens 50 % betroffener Querschnittsfläche oder großflächigem Hämatom,
- rezidiverende Traumata.
Zudem herrscht Konsens darüber, auch zum Skalpell zu greifen, um die Karriere von jungen Spielern nach einem kompletten Sehnenabriss zu retten.
In der Reha eignen sich neben Krankengymnastik physikalische Therapien wie Elektro, Ultraschall und Hyperthermie sowie Dehnungsübungen. Für fokussierte Stoßwellen, Kinesiotapes oder plättchenreiches Plasma gibt es hingegen kaum Evidenz. Auch Injektionen von Proteinen, Lokalanästhetika und Steroiden konnten genau wie orales Aescin, Bromelain oder topische Salbenverände mit Arnika bzw. Spurenelementen bislang wissenschaftlich nicht überzeugen. Das begleitende Training der Rumpfmuskulatur dagegen fördert den Heilungsverlauf.
Letzte Tests vor der Rückkehr
Trotz aller Bemühungen liegt das Risiko einer Läsion an der gleichen Stelle hoch. Innerhalb der ersten zwei Monate verletzen sich 14–16 % der Kicker erneut. Das unterstreicht die Bedeutung eines konsequenten Protokolls in der Rückführung.
Bevor es für die Profis zurück ins Training geht, müssen sie einen sogenannten „return-to-play“-Test bestehen. Der Spieler absolviert dabei an aufeinanderfolgenden Tagen eine lineare Trainingseinheit mit Maximalbelastungen (Sprints/Abstoppbewegungen) sowie eine multidirektionale Einheit mit Agilitätsprüfungen. Erst wenn er das problemlos übersteht, darf er wieder uneingeschränkt mit der Mannschaft trainieren.
Dauerte die Verletzung länger als drei Wochen, raten Dr. Riepenhof und Kollegen, den Sportler im ersten Einsatz maximal 30 Minuten auf den Platz zu schicken, bevorzugt in der zweiten Halbzeit. Beim zweiten Mal sollte nach höchstens 70 Minuten Schluss sein.
Quelle: Riepenhof H et al. Der Unfallchirurg 2018; 121: 441-449