Wann sollte die Bestrahlung nach der radikalen Prostatektomie erfolgen?

Autor: Dr. Andrea Wülker

Die neuen Daten stützen den Einsatz der frühen Salvage-Therapie nach radikaler Prostatektomie, wobei Patienten mit hohem Progressionsrisiko möglicherweise ausgenommen werden sollten. Die neuen Daten stützen den Einsatz der frühen Salvage-Therapie nach radikaler Prostatektomie, wobei Patienten mit hohem Progressionsrisiko möglicherweise ausgenommen werden sollten. © iStock/Aramyan

Adjuvant gleich nach der OP oder erst, wenn ein steigendes PSA auf ein Rezidiv hindeutet? Zum optimalen Zeitpunkt einer Strahlentherapie nach radikaler Prostatektomie gibt es neue Evidenz.

Drei randomisierte Studien widmeten sich dem Thema. Dr. Claire­ L. Vale­ vom University College London und Kollegen haben sie prospektiv in einer Metaanalyse ausgewertet.1

Darin gingen die Daten von 2153 Patienten ein, die nach ihrer Prostata-Operation entweder eine adjuvante Bestrahlung (n = 1075) erhielten oder bei einem PSA-Anstieg einer frühen Salvage-Radiotherapie zugeführt wurden (n = 1078). Zum Zeitpunkt der Analyse hatten 421 Teilnehmer der zweiten Gruppe mit der Bestrahlung begonnen. Das mediane Follow-up rangierte zwischen 60 und 78 Monaten.

Adjuvante Radiotherapie auf kürzere Sicht ohne Nutzen

Die adjuvante Strahlentherapie verbesserte das ereignisfreie Überleben von Männern mit lokalisiertem oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom nicht. Bis Daten zu Langzeitergebnissen vorliegen, halten die Autoren daher die frühe Salvage-Radiotherapie für die bevorzugte Strategie. Das erspart vielen Männern eine Bestrahlung mit den damit verbundenen Nebenwirkungen.

Die größte in der Metaanalyse berücksichtigte Studie ist RADICALS-RT mit fast 1400 Teilnehmern.2 In dieser zeigten 85 % der Männer mit adjuvanter Radiotherapie nach fünf Jahren ein biochemisch progressionsfreies Überleben ohne PSA-Anstieg, im Behandlungsarm mit Salvage-Radiatio lag der Anteil bei 88 %. Die sofort Behandelten litten nach einem Jahr stärker unter Inkontinenz. Die Studienautoren um Dr. Christopher­ C. Parker­ vom Royal Marsden NHS Foundation Trust in Sutton schlussfolgern, dass Patienten nach einer radikalen Prostatektomie standardmäßig überwacht und erst bei einem PSA-Anstieg einer Salvage-­Radiotherapie zugeführt werden sollten.

Ob dies wirklich für alle Betroffenen gilt, muss diskutiert werden, heißt es in einem Kommentar von Professor Dr. ­Derya ­Tilki, Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, und Professor Dr. Anthony­ V. D’Amico, Dana Farber Cancer Institute, Boston.3 So habe man in der RADICALS-RT-Studie u.a. auch Patienten rekrutiert, die in der klinischen Praxis aufgrund ihres geringen Rezidivrisikos keine adjuvante Strahlentherapie erhalten würden.

Dennoch sind die neuen Daten ein wichtiger Schritt vorwärts, schreiben die Kommentatoren. Sie stützen den Einsatz der frühen Salvage-Therapie nach radikaler Prostatektomie, wobei Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko möglicherweise ausgenommen werden sollten. Dazu zählen beispielsweise Männer mit Gleason-Score 8–10 und einem Tumorstadium pT3b oder höher. Bei ihnen sollte eine gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient erwogen werden. Bis Langzeitdaten aus der Studie RADICALS-RT vorliegen, sollte nach Ansicht der Autoren für diese Hochrisikogruppe eine adjuvante Strahlentherapie in Betracht gezogen werden.

Quellen:
1. Vale CL et al. Lancet 2020; 396: 1422-1431; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31952-8
2. Parker CC et al. A.a.O.: 1413-1421; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31553-1
3. Tilki D, D‘Amico AV. A.a.O.: 1374-1375; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31957-7