Geschlechtsangleichung Wege aus dem unpassenden Körper

Autor: Alexandra Simbrich

Für eine Vielzahl geschlechtsangleichender Maßnahmen liegt inzwischen sowohl eine klinische als auch eine evidenzbasierte Wirksamkeit vor. Für eine Vielzahl geschlechtsangleichender Maßnahmen liegt inzwischen sowohl eine klinische als auch eine evidenzbasierte Wirksamkeit vor. © Jan Engel – stock.adobe.com

Die Zahl der transgeschlechtlichen Personen, die sich für eine körpermodifizierende Behandlung entscheiden, steigt. Schritte zur Geschlechtsangleichung sollten stets auf Basis gemeinsamer Entscheidungen zwischen Betroffenen und Behandelnden erfolgen.

Die Versorgung von Menschen mit einer Geschlechtsinkongruenz hat sich mittlerweile verbessert. Doch noch läuft es nicht immer optimal, denn die Transgender-Medizin ist bislang kein Bestandteil der medizinischen Aus- oder Weiterbildung. Daher bestehen aufgrund mangelnder Kenntnisse aufseiten der Behandelnden oft noch Hürden in der bedarfsorientierten und ganzheitlichen Behandlung, schreiben Dr. ­David ­Garcia ­Nuñez, Universitätsspital Basel, und Kolleg:innen. Im Zentrum der Behandlung stehen die trans Personen: Sie definieren die Behandlungsziele und können am besten einschätzen, ob diese erreicht wurden. Somit kann sich der Behandlungsplan zu jedem Zeitpunkt ändern – etwa dann, wenn die Maßnahmen noch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben. 

Auf dem Weg der Transition vom anatomischen zum empfundenen Geschlecht sollten die Behandlungssuchenden möglichst früh von Personen mit umfassender Expertise begleitet werden. Gemäß aktueller Leitlinie sollten sie in jedem Fall psychosoziale Unterstützung, Beratung und ggf. Psychotherapie erhalten. Hilfreich kann auch die Peer-Beratung durch Personen sein, die eigene Erfahrungen mit einer Geschlechtsangleichung haben.

Diagnostik und Indikationsstellung übernehmen in Deutschland z.B. universitäre Spezialambulanzen. Die Kriterien für eine Geschlechtsinkongruenz orientieren sich am DSM-5. Im Sinne der Leitlinie gelten Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen als berechtigt, die medizinische Notwendigkeit körpermodifizierender Behandlungen zu erfassen und eine entsprechende Empfehlung auszustellen.

Bei der körperlichen Geschlechtsangleichung gelte es, verschiedene Maßnahmen zu organisieren. Diese betreffen u.a. folgende Fachrichtungen:

  • Reproduktionsmedizin: Erhalt der Fertilität bzw. Sicherung der Reproduktion (z.B. Spermienkryokonservierung, Eizellvitrifikation), Beratung in medizinisch-juristischen Fragen
  • Endokrinologie: Behandlung mit männlichen oder weiblichen Geschlechtshormonen bzw. antiandrogene Hormontherapie
  • Dermatologie: Behandlung von Testosteronakne oder androgenetischer Alopezie nach Hormontherapie, postoperative Glättung von Narben, Entfernung störender Behaarung bei trans Frauen
  • Chirurgie: operative Geschlechtsangleichung

Die Kombination und Reihenfolge der Interventionen erfolgt individuell. Das Vorgehen sollte stets auf einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) von Betroffenen und Behandelnden beruhen.

Für eine Vielzahl geschlechtsangleichender Maßnahmen liegt inzwischen sowohl eine klinische als auch eine evidenzbasierte Wirksamkeit vor, so die Autor:innen. Gut dokumentiert ist sie vor allem für die maskulinisierende Hormontherapie, die mittlerweile meist parenteral erfolgt. Unter dieser kommt es schnell und deutlich zu einer Zunahme von Muskelmasse und Gesichtsbehaarung sowie zu einer irreversiblen Verdickung der Stimmbänder, sodass die Behandelten bereits nach sechs Monaten als männlich wahrgenommen werden. Feminisierende Maßnahmen wiederum umfassen nicht nur die meist transdermale Gabe von Östro­genen, sondern auch die Androgensuppression mittels Cyproteron­acetat und gelegentlich spezifischen 5α-Reduktase-Hemmern. Erst diese Kombination unterdrückt die Testosteronproduktion ausreichend und es kommt zu einer Umverteilung des Fettgewebes, einer Abnahme der Muskelmasse und leichtem Brustwachstum. Bei allen Hormontherapien sollten regelmäßige Laborkontrollen erfolgen. Ziel ist es, die Hormonwerte des jeweiligen Identitätsgeschlechts zu erreichen. 

Zur körpermodifizierenden Therapie gehören darüber hinaus chir­urgische Maßnahmen. Mastektomie und Brustaufbau werden häufig in Anspruch genommen und führen vielfach zu einer erheblich verbesserten Lebensqualität der Betroffenen. Mit dem Ergebnis der komplexen Phalloplastik, bei der u.a. ein Penis gebildet und Hodenimplantate eingesetzt werden, zeigen sich transmaskuline Personen Studien zufolge meist sehr zufrieden. Alternativ lässt sich auch durch die Formung eines Mikrophallus im Rahmen der Metaidoioplastik eine gewisse Zufriedenheit erreichen.

Chirurgische geschlechtsangleichende Maßnahmen

Maskulinisierende Eingriffe
(Frau-zu-Mann-Angleichung)

  • Metaidoioplastik

  • Mastektomie

  • Hysterektomie/Adnexektomie

  • Phalloplastik

Feminisierende Eingriffe
(Mann-zu-Frau-Angleichung)

  • Brustaufbau

  • Vaginoplastik

  • Gesichtsfeminisierung

  • stimmangleichende Operation

Die genitale Mann-zu-Frau-Angleichung umfasst eine Vaginoplas­tik, bei der Hoden und Schwellkörper entfernt und die Klitoris, ein neuer Harnausgang, Vulvalippen und eine Vagina gebildet werden. Der Eingriff geht Studien zufolge mit einer verbesserten Lebensqualität der transfemininen Personen einher. Aktuelle Daten belegen auch die positiven Effekte einer Gesichtsfeminisierung sowie einer operativen Stimmangleichung.

Einige Maßnahmen, etwa die Hormonbehandlung, müssen ein Leben lang durchgeführt werden. Die Transition bedarf daher nicht nur eines ganzheitlichen Ansatzes, sondern auch einer langfristigen Nachbetreuung und medizinischen Kontrolle.

Quellen:
1. Garcia Nuñez D et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 862-865; doi: 10.4414/smf.2023.09301
2. S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung und Behandlung“, AWMF-Register Nr. 138/001