Tinnitus Wenn die Ohren klingeln

Autor: Maximilian Rossol

Tinnituskranke leiden auch auf kognitiver, emotionaler, sozialer und psychologischer Ebene. Tinnituskranke leiden auch auf kognitiver, emotionaler, sozialer und psychologischer Ebene. © Yura Yarema – stock.adobe.com

Das Ohrgeräusch beeinträchtigt nicht nur das Gehör, sondern auch Psyche, Schlaf und soziale Aspekte. Eine gründliche Anamnese des Tinnitus sollte demnach Fragen zu seinen Komorbiditäten beinhalten. 

Ein Tinnitus zieht oft weitere Erkrankungen nach sich. Neben Hörminderungen treten psychische Leiden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen sowie somatoforme Störungen auf. Diese Multimorbidität hat weitreichende Folgen auf kognitiver, emotionaler, sozialer und psychologischer Ebene, berichtete Prof. Dr. Birgit Mazurek, Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Kognitive und emotionale Beeinträchtigungen wie Konzentrationsprobleme oder negative Selbstwahrnehmung stehen bei Tinnituskranken häufig im Vordergrund. Auf der Verhaltensebene sind Beziehungsprobleme und soziale Isolation typisch. Schlafstörungen, Stress und psychische Belastungen verstärken die Problematik zusätzlich, betonte Prof. Mazurek.

Der Hörverlust ist überdurchschnittlich häufig eine Komorbidität und ein mittlerer Prädiktor für die Entwicklung eines chronischen Tinnitus. Hippocampus und Gyrus parahippocampus zeigen bei der Kombi von Hörverlust und Ohrgeräusch eine vermehrte Aktivierung, was die Chronifizierung beeinflusst. Während der ersten beiden Coronawellen wurde ein Anstieg von auditorischen Symptomen und Schwindel in Deutschland beobachtet. „Man sieht das aber eher als einen Nocebo-Effekt der Infektion an“, erklärte die Referentin.

Auch die Hyperakusis tritt vermehrt im Gefolge eines Tinnitus auf, 40 % der Menschen mit dem Ohrgeräusch leiden darunter. Sie soll aber laut Prof. Mazurek als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet werden. Eine Tübinger Arbeitsgruppe wies auf spezifische Unterschiede in den auditiven Verarbeitungspfaden hin. „Das sind andere Phänotypen, das sehen Sie in der Bildgebung“, erklärte die HNO-Ärztin. Misophonie, die emotionale Überreaktion auf bestimmte Geräusche, spielt ebenfalls eine Rolle in Verbindung mit Hyperakusis, korreliert jedoch nicht signifikant mit einem Tinnitus.

Viele Tinnituskranke leiden gleichzeitig unter Schlafproblemen, vor allem, wenn parallel eine Depression vorliegt. „Der depressive Tinnituspatient hat die Schlafstörungen“, kommentierte Prof. Mazurek.

Eine Hörstörung im mittleren Alter ist mit 7 % der größte modifizierbare Risikofaktor einer Demenz. Und auch ein Tinnitus geht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für kognitive Abbauprozesse einher. Vor allem exekutive Funktionen und das Kurzzeitgedächtnis fallen darunter. Depressivität im höheren Lebensalter, soziale Isolation und körperliche Inaktivität können diese Prozesse zusätzlich verstärken.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht