Muskelkrämpfe Wenn die strammen Waden zittern
Welche Ursachen haben Wadenkrämpfe?
Häufig begünstigen Dehydratation und/oder Elektrolytstörungen das Auftreten von Krämpfen. Insbesondere ältere Menschen, die oft zu wenig trinken, sind gefährdet. Durch sommerliche Temperaturen kann dies weiter begünstigt werden. Sportler sind ebenfalls gefährdet, und auch Schwangere klagen vermehrt über diese Beschwerden. Außerdem kann eine Hypothyreose Wadenkrämpfe verursachen.
Auch an medikamentöse Auslöser sollte gedacht werden, hierzu zählen beispielsweise Statine, inhalative Betamimetika, Diuretika oder Neuroleptika. Ein weiterer Risikofaktor ist Alkohol. In vielen Fällen lässt sich keine Ursache ermitteln.
Was steckt pathophysiologisch hinter den Krämpfen?
Elektromyographisch können hochfrequente Entladungen motorischer Einheiten während des Krampfs nachgewiesen werden. Sie sind Ausdruck einer neurogenen Übererregbarkeit. Neben dem peripheren Neuron haben zusätzliche spinale Faktoren durch den Wegfall inhibitorischer Einflüsse eine Bedeutung.
Was muss bei Wadenkrämpfen diagnostisch getan werden?
Anhand der typischen Anamnese kann die Diagnose sicher gestellt werden. Charakteristisch ist eine schmerzhafte und unwillkürliche Kontraktion des Muskels mit einer tastbaren Verhärtung. Hausärzte sollten einen neurologischen Basischeck durchführen und auf Paresen, Sensibilitätsstörungen, Atrophien und Reflexdifferenzen achten. Zum Basislabor gehören BSG, CRP, ein Differenzialblutbild, Elektrolyte, Transaminasen, Retentionsparameter, TSH, CK, BZ, HbA1c, Magnesium und Kalzium. Gibt es Symptome, die auf Grundkrankheiten wie eine Radikulopathie oder eine PAVK deuten, schließen sich entsprechende Untersuchungen, gegebenenfalls durch einen Facharzt einer anderen Disziplin, an.
Die Abgrenzung von einem Restless-legs-Syndrom ist anamnestisch gut möglich. Hierbei dominieren nicht krampfartige Schmerzen, sondern das klassische Gefühl der unruhigen Beine mit Missempfindungen.
Welche wirksamen Therapien gibt es?
Um ehrlich zu sein, nicht sehr viele, aber das ist kein Grund für therapeutischen Nihilismus. Ich rate nach wie vor zu Dehnübungen – drei- bis viermal pro Tag für ein bis zwei Minuten, auch wenn die Evidenz nicht gut belegt ist. Doch sie schaden in keinem Fall und kosten wenig Zeit. In der deutschen Leitlinie findet sich auch weiterhin die Empfehlung der Magnesiumgabe.
Zahlreiche Studien konnten jedoch keinen wesentlichen Effekt auf Frequenz und Intensität der Krämpfe nachweisen. Die Wirkung des Magnesiums liegt auf Placeboniveau. Aber die Autoren sind der Meinung, da es sich um ein gut verträgliches Präparat handelt, können die Patienten es ausprobieren.
Eine Wirksamkeit wurde lediglich für Chinin belegt. Es sollte vorbeugend in einer Dosis von 200–400 mg zur Nacht eingenommen werden. Die Substanz darf nicht in der Schwangerschaft angewandt werden. Ferner können eine Verlängerung der QT-Zeit und selten Thrombozytopenien auftreten. Auch sind Wechselwirkungen zu beachten. Ich rate meinen Patienten vor der Verordnung immer, zunächst über zwei Monate einen Muskelkrampfkalender zu führen, um zu prüfen, wie gravierend die Beschwerden wirklich sind. Bei hohem Leidensdruck empfehle ich das Chinin. Den Erfolg der Therapie sollte man dann erneut evaluieren und die Betroffenen nicht einfach mit der Medikation sich selbst überlassen.
Was können die Patienten selbst noch tun?
Im Akutfall können die Betroffenen durch Anspannen des Antagonisten über die reziproke Hemmung den Muskelkrampf zu beenden versuchen. Alternativ kann durch eine Dehnung des betroffenen Muskels ebenfalls eine Beendigung des Krampfes herbeigeführt werden. Ansonsten gilt für die Vorbeugung: vor dem Sport aufwärmen, ausreichend trinken – bei starken Aktivitäten evtl. statt Wasser Elektrolytlösungen – und auf Alkohol verzichten.
Quelle:
Interview: Dr. Anja Braunwarth mit Dr. Carsten Schuhmann Neurologe am Neuro-Centrum Odenwald in Erbach