Allergien Wie man junge Familien hinsichtlich der Haustierhaltung beraten sollte
Hierzulande zeigen 9,7 % aller Kinder und Jugendlichen eine Sensibilisierung gegen Hunde, 8,4 % gegen Katzen und 4,4 % gegen Pferde. Betrachtet man nur diejenigen mit einer atopischen Erkrankung, liegt die Prävalenz sogar zwischen 20 und 30 %, berichtete PD Dr. Sebastian Schmidt, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Greifswald. Angesichts des erhöhten Asthmarisikos, das mit einer Sensibilisierung einhergeht, seien das erhebliche Raten.
Die Allergene finden sich vor allem in den Hautschuppen der Tiere, aber auch in Speichel und Urin. Sie kleben an den Fellhaaren und bilden Reservoire, z.B. auf Polstermöbeln und Teppichen. Da sie sehr leicht sind, genügt ein geringer Luftzug, um sie aufzuwirbeln und lange Zeit schweben zu lassen. Fensteröffnen vertreibt die Allergene nicht, ganz im Gegenteil. Haften sie an der Kleidung eines Tierhalters, verbreiten sie sich rasch in dessen gesamter Umgebung. Hochgradige Katzenallergiker bekommen auf diese Weise mitunter Beschwerden in Räumen, in denen nie zuvor eine Katze gewesen ist. Da Katzenallergene über Wochen und Monate persistieren, reicht es nicht, das Tier einfach abzuschaffen. „Sie müssen auch die Reservoire entfernen. Und das ist eine Herausforderung“, so der Experte.
Frühe Sensibilisierung gegen Katzen erhöht Asthmarisiko
Eine frühkindliche Exposition gegenüber Katzenallergenen war in einer deutschen Studie mit einer Sensibilisierung im Alter von zwei Jahren verbunden. Bei Sechsjährigen bestand dieser Zusammenhang nicht. Vielmehr hatten sich deren Raten denen von Kindern ohne Katzenkontakt angeglichen. Nicht-sensibilisierte Kinder, die in einem Katzenhaushalt leben, haben kein erhöhtes Asthmarisiko. Eine frühe Sensibilisierung lässt es allerdings auf das Sechsfache steigen, egal ob das Tier im Haus lebt oder nicht. Die Risikofaktoren für eine allergische Rhinitis sind weniger eindeutig. Katzenkontakt im ersten Lebensjahr fördert bei Kindern mit Filaggrin-Mutation eine atopische Dermatitis, erklärte Dr. Schmidt.
Etwas anders verhält es sich mit Hunden. Als Hausgenossen scheinen sie eher vor allergischen Erkrankungen zu schützen. In einer Studie war bei Kindern, die in den ersten drei Lebensjahren mit einem Vierbeiner aufwuchsen, das Risiko für Lebensmittelallergien um 90 % und das für eine Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben um 66 % reduziert. Als mögliche Erklärung für dieses Phänomen führen Forscher die Entwicklung einer TH1-Immunität beim Säugling (Bauernhofeffekt) sowie eine Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms durch den engen Hundekontakt ins Feld. Sind Kinder jedoch schon gegen Hunde sensibilisiert, kann ein Tier im Haushalt das Asthmarisiko auf das 23-Fache erhöhen. Der Effekt ist deutlich stärker als bei Katzen.
Bislang nicht geklärt ist, welchen Effekt ein sehr enger Umgang mit mehreren Tieren hat. Führt das intensive Zusammenleben zu noch mehr Sensibilisierungen, Allergien und Asthma oder trifft eher das Gegenteil zu? Europäischen Studien zufolge steigt die Sensibilisierungsrate mit der Intensität der Exposition. Dies hat man bereits bei der Hausstaubmilbe beobachtet. US-amerikanische Untersuchungen hingegen belegen, dass sie bei (sehr) hoher Exposition teils wieder abnimmt bzw. ein Plateau erreicht. Bei Menschen, auf die dies zutraf, fanden sich hohe IgG-Antikörperspiegel (v.a. IgG4) gegen Fel d 1 – immunologische Veränderungen, die auch als Antwort auf eine Allergenimmuntherapie beobachtet werden.
Wie lange eine angenommene Toleranz ohne fortgesetzten Tierkontakt bestehen bleibt, weiß man nicht. Studien zu diesem Thema fehlen bislang. Doch sprechen klinische Beobachtungen dafür, dass mit nachlassender Exposition der Schutz schwächer wird. Nach einjähriger Karenz kam es bei Studenten, die in den Ferien wieder mit ihren Haustieren zusammentrafen, zu heftigen Reaktionen.
Die Neuanschaffung eines Tieres im Erwachsenenalter will gut überlegt sein, warnte Dr. Schmidt. Die Gefahr sich zu sensibilisieren ist v.a. dann gegeben, wenn der Vierbeiner mit ins Bett darf, eine andere Sensibilisierung oder Allergie bereits nachgewiesen wurde und der Tierhalter als Kind keinen Kontakt zu Haustieren hatte. Angelehnt an die S3-Leitlinie Allergieprävention gab Dr. Schmidt folgende Empfehlungen zur Haustierhaltung in Familien:
- Ein Hund hat sich für Kleinkinder im ersten bis dritten Lebensjahr überwiegend als protektiv hinsichtlich der Entwicklung von Allergien und Asthma erwiesen.
- Zur Haltung von Katzen und anderen typischen Haustieren (außer Hunden) sind die Daten widersprüchlich.
- Menschen, die kein erkennbar erhöhtes Allergierisiko haben, brauchen die Haltung einer Katze oder eines Hundes nicht einzuschränken.
- Familien mit erhöhtem Allergierisiko oder Kindern mit atopischem Ekzem sollten von der Neuanschaffung einer Katze absehen.
- Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollte man von der Haltung eines Hundes nicht abraten.
- Hinsichtlich anderer Haustiere können keine Empfehlungen zur Primärprävention von Allergien und Asthma gegeben werden.
- Es besteht keine Evidenz dafür, aus Gründen der Allergieprävention ein vorhandenes Haustier abzuschaffen.
Quelle: Allergiekongress 2023