Kardiales Ereignis Wohldosierte Bewegungstherapie senkt Risiko für Komplikationen
Ein individuell angepasstes Sportprogramm ist essenziell, um Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) schnell wieder auf die Beine und zurück in den Alltag zu bringen. Den Sport muss man dabei als regelrechtes Medikament nutzen und gekonnt einsetzen, erklärte PD Dr. Pascal Bauer von der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Gießen.
Empfehlungen zum richtigen Vorgehen finden sich in der S3-Leitlinie zur kardiologischen Rehabilitation. Demnach soll der Patient bereits 24 bis 48 Stunden nach dem Ereignis mobilisiert werden. Schon vier Tage nach einer unkomplizierten perkutanen Koronarintervention steht das monitorüberwachte Training an, so Dr. Bauer. In der Akutklinik sei dies heute aber kaum zu machen, da der Patient das Krankenhaus zu diesem Zeitpunkt schon verlassen habe.
Patienten brauchen zu Beginn motivierende Unterstützung
Spätestens im Rahmen der Rehabilitation sollen Patienten aller Altersgruppen mit stabiler Koronarkrankheit ein maßgeschneidertes Training absolvieren. Viele der Betroffenen sind unsicher, was sie ihrem Körper noch zumuten können, berichtete der Referent. Deshalb brauchen die Patienten vor allem zu Beginn motivierende psychologische Unterstützung.
Nach einem ACS profitieren ausnahmslos alle Patienten von angemessener täglicher Bewegung, stellte Dr. Bauer klar. Ganz besonders trifft dies auf Menschen zu, die sich vorher kaum bewegt haben. Sie mindern ihr Risiko für weitere Komplikationen und Tod in den kommenden vier Jahren um 60 %. Eine Sporttherapie nach ACS ist sicher, betonte der Experte. Bei entsprechender Überwachung treten kardiovaskuläre Ereignisse extrem selten auf.
Nach der Reha darf keinesfalls Schluss mit der Bewegung sein. Vielmehr sollen die Patienten schon während der Maßnahme Anleitungen zum selbstständigen Training erhalten. Die Teilnahme an einer Herzsportgruppe ist zwar durchaus empfehlenswert, so die Erfahrung des Referenten. Viele Patienten werden dort aber unterfordert, zumal die Treffen meist nur einmal wöchentlich stattfinden. Die Herzsportgruppe allein genügt also in der Regel nicht, so Dr. Bauer.
Mindestens 150 Minuten pro Woche moderat trainieren
Jeder gesunde Erwachsene soll sich an mindestens vier bis fünf Tagen in der Woche ausgiebig und gezielt bewegen. Leitliniengemäß reicht ein moderates Training von mindestens 150 Minuten pro Woche aus. Bei Kranken darf es deutlich mehr sein, unterstrich Dr. Bauer, keinesfalls aber weniger.
Auf den Arzt in der Praxis kommt die Aufgabe zu, die grundlegenden Voraussetzungen für körperliche Aktivität einzuschätzen. Er muss das personenbezogene kardiovaskuläre Risiko bewerten, das nach akutem oder chronischem Koronarsyndrom naturgemäß hoch ist. Eine besondere Gefahr für belastungsinduzierte Komplikationen besteht bei folgenden Konstellationen:
- Koronarereignis in den vergangenen zwölf Monaten
- Stenosen > 70 % in einer großen Koronararterie
- Stenosen > 50 % im linken Hauptstamm
- linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤ 50 % und Wandbewegungsstörungen
- induzierbare Myokardischämie unter Maximalbelastung
- polymorphe oder sehr häufige ventrikulären Extrasystolen
Die bisherige Intensität sportlicher Aktivitäten und die Fitness des Patienten sind zu berücksichtigen, außerdem muss die medikamentöse Therapie optimal eingestellt werden. Es empfiehlt sich, bei jedem Patienten einen Belastungstest bis zur maximalen Belastungsgrenze durchzuführen.
Dr. Bauer bevorzugt für den Belastungstest die Fahrradergometrie. Sie liefert zusätzlich Informationen über den Blutdruck unter Belastung, gleichzeitig kann ein EKG mitlaufen. Beim Laufbandergometer ist die EKG-Aufzeichnung hingegen schwierig. Bei Herzpatienten nutzt Dr. Bauer auch gerne die Spiroergometrie.
Anhand der Ergebnisse aus dem Belastungstest kann der Trainingsplan erstellt werden. Als Richtgröße wählt man die maximale Herzfrequenz, sofern der Patient keinen Betablocker einnimmt. Wird er mit diesen Medikamenten behandelt oder besteht eine chronotrope Inkompetenz, orientiert man sich an der Herzfrequenzreserve, also am Unterschied zwischen Ruheherzfrequenz und Herzfrequenz unter maximaler Belastung, erläuterte der Referent. Bei Vorhofflimmern oder nach Herztransplantation sollte man am besten die maximal erreichte Leistung oder VO2max in der Spirometrie heranziehen.
Patienten nach einem ACS sollen in den ersten zwölf Monaten im
aeroben Bereich trainieren, d.h. mit leichter oder moderater Intensität. Der Korridor für die Belastung befindet sich zwischen 65 % und 75 % der maximalen Herzfrequenz bzw. zwischen 40 % und 60 % der Herzfrequenzreserve, oder zwischen 50 % und 65 % der VO2max in der Spiroergometrie. In diesem Rahmen sollte die Anstrengung liegen, in jedem Fall aber unterhalb der Anginaschwelle, betonte der Sportkardiologe. Das Training wird überwacht, zudem müssen vorab Kriterien festgelegt werden, bei denen die Übungen abgebrochen werden.
Training erst öfter, dann länger, dann intensiver
Bewährt hat es sich, dem Patienten eine Art schriftliches Rezept für seine Bewegungstherapie auszustellen. Daraus sollen die Art der Übungen, die Intensität und Frequenz der Einheiten mit der Gesamtzeitdauer des Trainings hervorgehen.
Die Bewegungstherapie wird in Umfang und Intensität ab der zwölften Woche nach dem akuten Koronarsyndrom allmählich gesteigert. Dabei geht man nach der sogenannten ÖLI-Regel vor: erst öfter trainieren, dann länger, erst zum Schluss intensiver.
Quelle: 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin