Akute kardiale Komplikationen durch respiratorische Infektionen

Autor: Friederike Klein

Manche Viruspartikel sehen im Elektronenmikroskop
sogar schon aus wie Herzen, wie diese Aufnahme des Vogelgrippe-Erregers zeigt. Manche Viruspartikel sehen im Elektronenmikroskop sogar schon aus wie Herzen, wie diese Aufnahme des Vogelgrippe-Erregers zeigt. © Science Photo Library/NIBSC

Virale Atemwegsinfekte und Pneumonien beeinträchtigen das Herz-Kreislauf-System auf unterschiedliche Weise. Bei der Influenza sind kardiovaskuläre Ereignisse sogar häufiger die Todesursache als die Infektion selbst. Man sollte also immer auch einen Blick auf das Herz werfen.

Die Coronapandemie hat die Assoziation zwischen Lunge und Herz abermals verdeutlicht: Während die allgemeine Mortalitätsrate chinesischen Daten zufolge bei 2,3 % lag, betrug sie bei Patienten mit begleitenden kardiovaskulären Erkrankungen 10,5 %. Wie genau die Wechselwirkung von COVID-19 und dem Herzen aussieht, weiß man noch nicht genau. Details kommen vorwiegend aus Untersuchungen zur Influenza.

Akutes Koronarsyndrom

Einer klinischen Studie zufolge steigt in den ersten drei Tagen einer Influenza das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom (ACS) um rund das Vierfache. Für einen akuten Myokardinfarkt ermittelten mehrere Fall-Kontroll-Studien zu Influenza- und anderen Viren (z.B. das Respiratory Syncytial Virus, RSV) in den ersten sieben Tagen drei- bis zehnfach erhöhte Inzidenzraten. Und während einer Grippewelle werden mehr Patienten wegen ischämischer Herzerkrankungen als sonst stationär behandelt.

Dr. Jiahao Duan vom Department of Anesthesiology and Peri­operative Medicine am First Affiliated Hospital of Nanjing und Kollegen vermuten, dass virale Atemwegsinfektionen die Instabilität atherosklerotischer Plaques erhöhen und so ein ACS fördern. Bei COVID-19-Patienten wiesen bislang zwar Biomarker auf eine myokardiale Schädigung hin, es gibt aber keine Evidenz für eine Zunahme von ACS.

Rhythmusstörungen

Arrhythmien, insbesondere Tachykardien, gehören zu den häufigsten Komplikationen viraler Atemwegsinfekte. Bei dem Coronavirus, das 2002 erstmals schwere akute respiratorische Syndrome (SARS) auslöste, entwickelten 72 % eine lang andauernde Tachykardie, die in vier von zehn Fällen auch nach Ende der Erkrankung anhielt. Was genau die Arrhythmien auslöst, weiß man noch nicht. Unter Fieber und ausgeprägter Hypoxämie ist eine Tachykardie sicher eine normale Reaktion, ohne auf einen direkt schädigenden Einfluss der Viren auf das Myokard hinzuweisen.

Myokarditis und Perikarditis

Zwischen Influenzainfektionen und Myokarditiden bzw. Perikarditiden gibt es eine enge Assoziation. Zwei von drei an einer Influenza-B Verstorbenen wiesen in Autopsien eine Myokarditis auf, die sich bei etwa 30 % histologisch bestätigen ließ. Und Biopsien von Patienten mit akuter oder rezidivierender Perikarditis brachten teilweise schon Nukleinsäuren von Influenza-A- und Coronaviren ans Licht. Letztlich bleibt der mögliche Zusammenhang unklar. Die Autoren empfehlen für die Praxis, immer an die kardialen Entzündungen als Folge von viralen Atemwegsinfektionen zu denken.

Kardiale Dysfunktion

Eine höhere kardiometabolische Belastung des Herzens kann im Zuge jeder akuten Erkrankung zu kardialen Komplikationen führen. Bei SARS-Virusinfektionen zeigte jeder zehnte Patient eine vorübergehende Herzvergrößerung, ohne dass Zeichen einer Herzinsuffizienz auftraten. Weisen Patienten mit SARS-Virusinfektion schon zum Zeitpunkt der Vorstellung im Krankenhaus eine reduzierte Ejektionsfraktion auf, sind die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf und die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung hoch.

Der erste berichtete COVID-19-Todesfall resultierte aus einem akuten Lungenversagen zusammen mit Herzinsuffizienz und Herzstillstand. In der Analyse von 41 Fällen mit COVID-19 wiesen 15 % der Patienten eine chronische kardio­vaskuläre Erkrankung auf, 15 % einen Bluthochdruck. 12 % hatten ein erhöhtes Troponin-I als mögliches Zeichen einer akuten Herzschädigung und/oder kürzlich erhobene auffällige Befunde im EKG oder Echo. Dies deutet auf eine erhöhte Prävalenz von Herzfunktionsstörungen bei Patienten mit viraler Pneumonie und eine schlechte Prognose hin.

Weitere Risikofaktoren für eine erhöhte ­Mortalität

Als unabhängige Risikofaktoren für den Tod im Rahmen einer viralen Pneumonie nennen die Autoren Alter, Hypo-/Hypertonie, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen in der Anamnese und Adipositas. Die Auswertung von 138 COVID-19-Kranken ergab einen hohen Anteil von Patienten mit Hypertonie (43 %) und vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung (20 %). Ein akutes Lungenversagen trat bei fast 20 % der Infizierten auf, eine Arrhythmie entwickelten 17 %, einen Herzinfarkt 7 %, einen Schock knapp 9 % und ein akutes Nierenversagen rund 3 %.

To-do-Liste für die Praxis

Die Autoren empfehlen bei allen Patienten mit schweren viralen Atemwegsinfekten und Pneumonien:
  • Abklärung vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankungen
  • so früh wie möglich kardiologische Routineuntersuchungen wie 12-Kanal-EKG, Messung von BNP/kardialen Enyzmen und Echokardiographie durchführen
  • individuell Strategien zur Vermeidung und Kontrolle der Virusausbreitung ergreifen
  • wenn notwendig, Behandlung nach den Begleiterkrankungen priorisieren
  • Statine und Thrombozyten-Aggregationshemmer könnten einen zusätzlichen protektiven Effekt auf das kardiovaskuläre System haben

Die Mechanismen, über die virale Infektionen kardiovaskuläre Erkrankungen beeinflussen, sind vielfältig. Eine Rolle spielen unter anderem Hypoxie, Inflammation oder Katecholamine und die dadurch hervorgerufene sympathische Aktivierung.

Quelle: Duan J et al. Eur Heart J 2020; 41: 1833-1838; DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa325