Mit stereotaktischem Geschick gegen ventrikuläre Tachykardien
Myokardnarben stören die Erregungsleitung teils derart, dass lebensgefährliche Arrhythmien die Patienten plagen. Belastende Schocks eines implantierten Defibrillators sind die Folge. Im Extremfall löst das Gerät mehrmals täglich aus, wie bei dem 79-jährigen Mann mit terminaler Herzinsuffizienz, den Professor Dr. Hendrik Bonnemeier, Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, und Kollegen behandelten.
„Stärker, als kurz an den Kuhzaun zu fassen“
Trotz Dreifachtherapie mit Antiarrhythmika traten bis zu zweimal am Tag ventrikuläre Tachykardien (VT) auf, die automatisch terminiert wurden. „Ein solcher 40-Joule-Schock ist natürlich stärker, als kurz mal an den Kuhzaun zu fassen“, erklärt Prof. Bonnemeier im Gespräch mit Medical Tribune. Betroffene hätten Angst vor der nächsten Rhythmusstörung und vor der nächsten Defiattacke. Die Lebensqualität sinkt deutlich, bei einer ohnehin schlechten Lebenserwartung.
Um arrhythmogenen Arealen den Garaus zu machen, kommt in vielen Fällen die Katheterablation zum Einsatz. Diese stößt allerdings oft an ihre Grenzen (s. Kasten). Zahlreiche Studien zu dem Verfahren zeigen konsistent, dass ca. 40–50 % der Patienten mit kardiomyopathiebedingten VT davon profitieren – und zwar nicht prognostisch, sondern vielmehr durch eine Reduktion der abgegebenen Schocks. Selbst wenn die Verödung primär erfolgreich war, die Rezidivrate liegt hoch.
Hinderliche Anatomie
Europaweite Studie
Gelegentliche Arrhythmien werden bleiben
Mapping plus hochauflösendes CT erlaubten die exakte Lokalisation des arrhythmogenen Herdes (s. Abb.). Letztlich wurde ein 2,5 cm³ großes Areal im Septum mit 25 Gy gezielt bestrahlt. Die Radiatio erfolgte atemsynchron und das Prozedere dauerte weniger als 30 Minuten. Seit der Behandlung fühlt sich der Patient laut Prof. Bonnemeier deutlich besser. Strahlenassoziierte Komplikationen traten keine auf. Gelegentlich kommt es noch zu Kammertachykardien, die aber spontan sistieren. „Diese wird er auch weiterhin haben“, erklärt der Kollege. Wichtig ist: Die selbstlimitierenden Arrhythmien spielen klinisch keine Rolle, ein Defi-Schock bleibt aus. Der 79-jährige Mann ist damit der erste Patient in Deutschland und einer der ersten weltweit, bei dem eine therapierefraktäre VT mittels Radiatio erfolgreich behoben wurde. Bereits Ende 2017 publizierte ein US-amerikanisches Team eine Pilotstudie mit fünf Teilnehmern, deren Arrhythmien fast vollständig verschwanden (Reduktion um 99,9 %). Darauf folgte eine prospektive Phase-I/II-Studie mit 19 Patienten und ähnlichen Ergebnissen. Alle Betroffenen, die die Behandlung bislang erhalten haben, litten unter einer terminalen Herzinsuffizienz, meistens auf dem Boden einer ischämischen Kardiomyopathie. Herzchirurgische Optionen kamen nicht infrage. Bei diesen Patienten hält der Kieler Kollege die Bestrahlung für einen guten Ansatz. „Und der klappt auch.“ Ob durch die Maßnahme die Überlebensrate steigt, bleibt vorerst offen. Primär handelt es sich um einen palliativen Ansatz, der die Lebensqualität verbessert. „Das ist kein Verfahren, das wir jetzt wie Brot und Butter anbieten möchten“, betont Prof. Bonnemeier. Jüngeren mit bekannten VT und gelegentlichen Defi-Schocks solle man keine falschen Hoffnungen machen. Erst wenn Herzinsuffiziente unter maximaler Medikation immer wieder traumatisierende Schockereignisse erleben, könnte die Bestrahlung womöglich eine Option werden. Unter dem Gesichtspunkt der Palliation rückt die potenzielle kardiale Spättoxizität der Radiotherapie in den Hintergrund.Medical-Tribune-Bericht