Gentherapie Zukünftige Behandlung für Patienten mit angeborener Taubheit?

Autor: Dr. Anna Millenaar

Nach Meinung der Autoren könnte die Gentherapie eine neue therapeutische Ära einläuten, da es seit der Erfindung der Cochlea-Implantate kaum Fortschritte gegeben hatte. (Agenturfoto) Nach Meinung der Autoren könnte die Gentherapie eine neue therapeutische Ära einläuten, da es seit der Erfindung der Cochlea-Implantate kaum Fortschritte gegeben hatte. (Agenturfoto) © Dragana Gordic – stock.adobe.com

Gegen eine mutationsbedingte angeborene Taubheit ist bislang keinKraut gewachsen. Eine chinesische Studie weckt nun Hoffungen auf Erfolge durch eine Gentherapie.

Weltweit leiden etwa 26 Millionen Menschen an einer kongenitalen Taubheit. In circa 60 % der Fälle liegen genetische Ursachen zugrunde. Eine dieser hereditären Taubheiten ist die autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung DFNB9, die auf einer Mutation des Otoferlin-Gens (OTOF) beruht. Das zugehörige OTOF-Protein spielt eine wichtige Rolle für die Übertragung von Geräuschsignalen vom Ohr zum Gehirn. Die Mutation führt bei den Betroffenen zu einem schweren bis vollständigen beidseitigen Hörverlust, der zu Sprachentwicklungsstörungen führen kann.

Aktuell existieren keine anerkannten Medikamente für hereditäre Taubheiten. Eine Studie der Universität Shanghai hat nun eine Gentherapie bei der DFNB9 untersucht. Das Team um Jun Lv vom ENT Institute and Otorhinolaryngology Department am Eye & ENT Hospital schloss sechs Kinder ein. Alle litten an einer nachgewiesenen biallelen Mutation und vollständigen Taubheit (Hörschwelle in der Hirnstammaudiometrie > 95 dB). Mittels einer einmaligen Injektion über das runde Fenster in die Cochlea wurde bei ihnen eine adenovirusassoziierte Version des humanen OTOF-Gens (AAV1-hOTOF) eingebracht. Die Nachbeobachtungszeit lief über 26 Wochen.

Fünf der sechs Kinder zeigten eine Besserung des Hörvermögens. So kam es nach 26 Wochen zu einer Reduktion der Hörschwelle um 40–57 dB. Auch die Sprachwahrnehmung sowie die Fähigkeit zur normalen Konversation besserten sich. Dosislimitierende Toxizitäten konnten nicht nachgewiesen werden. Die meisten unerwünschten Nebenwirkungen waren nur gering ausgeprägt oder kurz anhaltend.

Erste Studie zur Gentherapie bei dieser Form der Taubheit

Die vorliegende Arbeit ist die erste klinische Studie, die beginnend im Dezember 2022, eine Gentherapie bei der DFNB9 untersucht hat. Hervorgehoben werden muss auch, dass die Wissenschaftler die Ergebnisse der Grundlagenforschung am Mausmodell zu DFNB9 auf den klinischen Einsatz bei Kindern mit Erfolg übertragen konnten.

Nach Meinung der Autoren könnte die Gentherapie eine neue therapeutische Ära einläuten, da es seit der Erfindung der Cochlea-Implantate kaum Fortschritte gegeben hatte. Hierzu sind aber weitere Studien mit höherer Patientenzahl und längerer Nachbeobachtungszeit erforderlich.

Quelle: Lv J et al. Lancet 2024; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)02874-X