Masern Zunahme statt Ausrottung

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Die erste Impfung wird im Alter von 11–14 Monaten empfohlen. Die erste Impfung wird im Alter von 11–14 Monaten empfohlen. © Astrid Gast – stock.adobe.com

In den letzten Jahren nehmen die Erkrankungsfälle wieder zu – nicht nur in Entwicklungsländern. Die Eliminierung der Masern bleibt erklärtes Ziel der WHO.

Weltweit verzeichnet man in den letzten Jahren wieder vermehrt Maserninfektionen. Zwischen 2021 und 2022 berichtete die WHO eine Zunahme um 18 %, die mit der Erkrankung assoziierten Todesfälle stiegen um 40 %. In Deutschland wurden bis Anfang Juli 2024 insgesamt 386 Masernfälle gemeldet. Im gesamten Jahr 2023, wohl noch unter dem Einfluss der Coronapandemie, waren es 139, schreiben Dr. Katrin­ Steul­, Verwaltungsverband für das Gesundheitsamt der Stadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg, sowie Dr. Anne­ Marcic­ vom Amt für Gesundheit in Kiel.

Mit einer Basis-Reproduktionszahl – die durchschnittliche Zahl von Personen, die von einem Erkrankten angesteckt werden – zwischen 12 und 18 sind Masern eine hochkontagiöse Erkrankung. Die Chance für einen nicht-immunen Menschen, sich bei Kontakt mit einem Infizierten anzustecken, wird auf 90 % geschätzt. Die Impfung schützt zuverlässig davor.

Eine Impfquote von 95 % ist für die Eliminierung nötig

Für die Eliminierung der Masern wäre eine Durchimpfungsrate von 95 % der Bevölkerung nötig. Nach Berichten des Robert Koch-Instituts (RKI) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) traten in den vergangenen Jahren 80–85 % aller Maserninfektionen bei Personen ohne ausreichenden Impfschutz auf.

Maserndiagnose ohne Rücksicht aufs Budget

Bei Verdacht auf eine akute Maserninfektion sollte der IgM-Antikörper-Titer bestimmt werden. Das RKI empfiehlt außerdem immer den Nachweis des Virusgenoms mittels PCR aus Urin oder Rachenabstrich. Die Diagnostik im Hinblick auf meldepflichtige Erkrankungen ist nicht budgetrelevant. Denn dafür gilt die Ausnahmeziffer 32006.

Zwei Maßnahmen im Jahr 2001 hatten bewirkt, dass die Infektionszahlen gegenüber früheren Zeiten in Deutschland stark sanken: die Einführung der Meldepflicht, aber vor allem die Änderung der Impfempfehlung. Während die Ständige Impfkommission (STIKO) noch 2000 zur ersten Masern-Mumps-Röteln-Impfung im Alter von 12–15 Monaten und der zweiten im Alter von 5–6 Jahren riet, wurde der Abstand zur Boosterimpfung 2001 stark verkürzt. Seitdem wird eine erste Impfung im Alter von 11–14 Monaten und eine zweite im Alter von 15–23 Monaten empfohlen. Diese Änderung hat wohl entscheidend dazu beigetragen, dass seit 2007 fast 90 % der Schulanfänger schon beide Masernimpfungen bekommen haben. Im Jahr 2001 war dies ein Viertel der Kinder gewesen.

Immunitätslücken beobachtet man heute vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die durch ihre vielfältigen Kontakte erheblich dazu beitragen, dass die Masern in Umlauf bleiben. Wenn ungeimpfte junge Erwachsene Eltern werden, gefährden sie zudem ihren Nachwuchs, solange dieser noch nicht selbst geimpft werden kann. Seit 2010 zählt deshalb auch die Masernimpfung von Erwachsenen, die nach 1970 geboren sind, zu den Standardimpfungen.

Seit März 2020 gilt in Deutschland das Masernschutzgesetz. Darunter fallen Menschen, die nach dem 31.12.1970 geboren sind und z. B. in Kindergemeinschaftseinrichtungen, Heimen oder Unterkünften für Geflüchtete/Obdachlose untergebracht oder beschäftigt sind. Auch Personen, die in der medizinischen Versorgung arbeiten, müssen die Masernimmunität nachweisen. Zur Auswirkung dieses Gesetzes auf das Infektionsgeschehen gibt es bisher kaum Daten. Erschwert werden Auswertungen dadurch, dass das Gesetz zeitgleich mit dem Beginn der Coronapandemie in Kraft trat.

Quelle: Steul K, Marcic A. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 534-537