Herzkatheter Zuwarten ist bei stabilen Patienten mit KHK-Verdacht erlaubt
Sofort intensiv abklären oder erst einmal zuwarten? Das ist häufig die Frage bei symptomatischen, aber stabilen Patienten mit KHK-Verdacht. Eine Antwort darauf gibt eine erneute Auswertung der PRECISE*-Studie. Diese randomisierte pragmatische Untersuchung wurde an 65 Zentren in Europa und Nordamerika durchgeführt. Zur Detektion gering gefährdeter Probanden diente der zuvor schon entwickelte PROMISE Minimal Risk Score (PMRS). Dieser setzt sich u.a. aus dem Alter und Geschlecht der Patienten zusammen, erläutert das Autorenteam um Prof. Dr. James Udelson vom Tufts Medical Center in Boston. Daneben gehen auch psychischer und körperlicher Stress, Nikotinkonsum, Dyslipidämie, Hypertonie, Diabetes mellitus und die Familienanamnese in den Risikoscore ein.
Von den 2.103 Teilnehmern der PRECISE-Studie wiesen 422 (20 %) ein minimales Risiko auf. Das Durchschnittsalter dieser Patienten lag bei 46 Jahren, 72 % waren Frauen. Sie wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt: 214 erhielten zunächst keine genauere Diagnostik und sollten nur bei Bedarf später untersucht werden. Bei 208 erfolgte eine sofortige Abklärung. Diese bestand entweder aus einer CT-Koronarangiografie (CTA) inklusive Bestimmung der CT-basierten fraktionellen Flussreserve (CTA-derived fractional flow reserve, CT-FFR) oder es erfolgte die übliche Diagnostik mit Stresstest und Herzkatheteruntersuchung.
Von den Teilnehmern, die erst später abgeklärt werden sollten, erhielten im Follow-up-Zeitraum von zwölf Monaten 64 % keine weitere KHK-Diagnostik. 36 % von ihnen wurden noch untersucht – wegen Symptomverschlechterung, neu aufgetretenen Beschwerden oder auf eigenen Wunsch. In 96 % dieser Fälle war das Ergebnis unauffällig.
Der primäre Endpunkt wurde in der Gruppe der verzögert abgeklärten Patienten deutlich seltener erreicht (0,9 %) als unter den Teilnehmern, die man direkt weiter untersucht hatte (6,3 %). Er setzte sich zusammen aus Todesfällen jeder Ursache (0 vs. 1 Fall), nicht-letalen Myokardinfarkten (0 vs. 1 Fall) sowie invasiven Katheteruntersuchungen, die keine obstruktive KHK ergaben (Überdiagnostik, 2 vs. 12 Fälle).
Angina pectoris wurde in beiden Gruppen seltener
Zu Beginn der Studie litten 70 % der Patienten häufig (mindestens einmal pro Monat) an Angina pectoris. Innerhalb von zwölf Monaten verringerte sich dieser Anteil in beiden Gruppen auf < 20 %. Wenn nur ein geringes Risiko vorliegt, ist bei symptomatischen Patienten mit KHK-Verdacht daher ein zunächst abwartendes Vorgehen erlaubt, schlussfolgern die Autoren.
* Prospective Multicenter Imaging Study for the Evaluation of Chest Pain
Quelle: Udelson JE et al. JAMA Cardiol 2023; DOI: 10.1001/jamacardio.2023.2614